Das paho. Zentrum für Papier wurde als Plattform für Künstler*innen und Kunstinteressierte gegründet, die sich den vielen Facetten des Themas Papier widmen. In Workshops und partizipativen Angeboten wird Kindern sowie Erwachsenen der Werkstoff und das Handwerk dahinter nähergebracht. Claudia hat das Zentrum besucht und ist mit Gründerin Ute in die Welt des Papierschöpfens eingetaucht.
Donnerstagvormittag in Großderschau, einem brandenburgischen Dorf. Drei Künstlerinnen sitzen konzentriert im Garten, sammeln Holzstückchen aus Stroh und diskutieren die nächsten Schritte. Das „Stroh“ stellt sich auf Nachfrage als Hanfstroh heraus. 3.000 Quadratmeter haben sie von der benachbarten Agrargenossenschaft anbauen und mähen lassen. „Das war gar nicht so leicht. Hanf hat sehr lange Fasern und niemand wollte sich das Mähwerk ruinieren. Zum Glück haben sie noch einen alten Scheibenmäher gefunden“, erzählt Ute Fürstenberg, die Vierte der Runde, Gründerin des paho. Zentrum für Papier und Leiterin des Projekts Faserwerkstatt.
Anke Meixner vom Projekt Faserwerkstatt begutachtet und bearbeitet das Hanfstroh
Papierforschung im paho
„Aber das reicht ja nicht. Um Papier herzustellen, muss der Hanfstängel noch zerkleinert und entholzt werden und solche Geräte hat niemand mehr im Gebrauch.“ Aber auch hier hatten sie Glück. Bei einem Vortag in Wismar sprechen sie den Dozenten Dr. Hans-Jörg Gusovius an, der am Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam die Maschinen einer Pilotanlage zur Verfügung stellt. Säcke voller Hanfstroh werden durch Guillotine und Extruder gejagt, unterschiedlichste Varianten hergestellt, damit weitergeforscht werden kann, wie aus den Zwischenprodukten feines und langlebiges Papier hergestellt werden kann. Denn das ist das Ziel ihres gemeinsamen Projektes, welches am Wochenende zum Tag des offenen Ateliers auch interessierten Besucher*innen zugänglich gemacht werden soll.
Das Hanfstroh kommt durch die „Guillotine“ © Petra Walter-Moll
Eine Region mit Tradition im Papierhandwerk
Während die Künstlerinnen weiterarbeiten, führt Ute mich durch das paho. Das Haus samt Garten hat sie vor einigen Jahren erworben, um eine Basis für ihre Kulturarbeit zu schaffen und ein bundesweites Netzwerk Gleichgesinnter aufzubauen. Unzählige verschiedene Papiere sind hier zu finden, Siebe und altes Gerät, welches früher zur Papierherstellung genutzt wurde. „Havelland und Prignitz waren bekannt für Papier- und Textilherstellung, hier gab es viel Wasser, das braucht man dazu. Im Nachbarort ist auch die alte Papierfabrik, mit der wir kooperieren.“ Das historische Gebäudeensemble in Hohenofen ist heute ein technisches Denkmal von überregionaler Bedeutung.
Die ersten Versuche: geschöpftes und getrocknetes Papier
Eine Pflanzenkläranlage für das paho-Gelände
Viel ist noch zu tun auf dem paho-Gelände, das sieht man, aber Ute ist voller Tatendrang. „So nach und nach wird das schon. Ich bin froh, dass wir jetzt unser Badehaus in Betrieb haben, sonst wären solche Projekte hier gar nicht möglich.“ Badehaus? Tatsächlich, im Garten wurde ein alter Schuppen umgebaut. WCs und Waschmöglichkeiten finden sich jetzt dort und geben Besucher*innen die Möglichkeit, Sanitäranlagen außerhalb des Wohnhauses zu nutzen.
Das „Badehaus“ für Besucher*innen und Workshopteilnehmende
Wir gehen weiter und bleiben vor einer noch spärlich bewachsenen Kiesfläche stehen. „Das ist das Beste“, freut sich Ute, „eine Pflanzenkläranlage.“ Als unwissende Städterin frage ich genauer nach. „Wir hatten hier nur eine Einkammergrube. Bei solchen Veranstaltungen muss die alle paar Tage abgepumpt werden. Das kann ja niemand bezahlen!“ Nun gibt es vier Kammern, durch die das Abwasser fließt, dabei gefiltert und anschließend mittels Pumpe zum Schilfbeet transportiert wird. Durch Verteilerrohre gelangt es auf die Beetoberfläche, durchströmt das Kiesbett und wird von den Schilfwurzeln verstoffwechselt – die biologische Reinigung beginnt. Möglich waren beide Investitionen durch NEUSTART KULTUR-Fördergelder, die 2020 vom paho. beantragt wurden. Für das Kulturzentrum wäre es ohne Weiteres nicht möglich gewesen, die Mittel dafür aufzutreiben. Durch den Umbau kann der Garten nun gut als Werkstattgelände genutzt werden, steht für Workshops zur Verfügung und dient gleichzeitig als Ausstellungsfläche.
Ausstellung zum Hanf
Papierschöpfen und Gautschen
Drei Tage später bin ich erneut da. Schließlich möchte ich sehen, ob das Experiment funktioniert hat und sich nun Papier schöpfen lässt. Ich darf sogar selbst zur Tat schreiten, tauche ein Sieb in die grau-weiße Pulpe, füge Blütenblätter aus dem Garten hinzu, stülpe das Sieb auf ein Wollfilz und löse es durch vorsichtiges Hin- und Herbewegen. Gautschen nennt sich dieser Schritt. Gar nicht genug kann ich davon kriegen, denn auch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Anderen Besucher*innen geht es ähnlich, so dass viele feine, durchscheinende Blätter entstehen.
Claudia beim Papierschöpfen
Mit vereinten Kräften hieven wir den Stapel in die altertümliche Schlagpresse und drücken noch ordentlich Wasser raus. Mehrere Tage muss das Papier hier nun trocknen. Ich werde wohl noch einmal wiederkommen müssen, um das endgültige Ergebnis betrachten zu können. Welch Freude!
Rissfreies, gut abgelagertes Hartholz eignet sich bestens für kreative Holzarbeiten. Hier im Gut Alaune in Sachsen-Anhalt können Kinder, Jugendliche und Erwachsene an Drechsel- und Holzbildhaukursen teilnehmen und sich an Schnitzwerkzeug und Drechselbank ausprobieren. Das Holz dafür wurde mit Hilfe des lokalen Försters und Künstler*innen ausgewählt.
Neben den Holzwerkstätten bietet der Projekt- und Bildungsort in Petersberg einen Gemeinschaftsgarten, Repair-Cafés, Nachbarschaftstreffen, Gesangs- oder Akrobatikkurse, Festivals oder Seminare an. Die Veranstaltungen sind dabei stets umweltbewusst und nachhaltig gestaltet. Das Gut Alaune ist ein offener Ort, an dem sich Menschen mit verschiedenen Hintergründen begegnen und austauschen und mit Unterstützung von Kulturschaffenden selbst kreativ werden können.
Entstanden ist Gut Alaune vor etwa sieben Jahren, als der gemeinnützige Verein begann, eine Freifläche in einem Landschaftsschutzgebiet herzurichten. Seitdem wird hier stetig renoviert, gegärtnert, geforscht und gebastelt – und Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht!
Während der Pandemie wurden für den Hamburger Oberhafen zwei Audioformate entwickelt, um Besuchenden das Kultur- und Kreativquartier trotz Kontaktbeschränkungen zugänglich zu machen. Denn der inspirierende und vielfältige Ort hat nicht nur eine bewegte Geschichte, sondern lebt vom regen Austausch zwischen den Kulturschaffenden und den Besucher*innen. Ulrich Bildstein ist Geschäftsführer des Kammerkunstvereins und im Vorstand des Oberhafen 5+1 e.V. Er hat beide Audioformate mit entwickelt und umgesetzt – NEUSTART KULTUR hat sich mit ihm darüber unterhalten.
Lieber Ulrich, bitte erläutere kurz, wer hinter den Audioformaten steckt
Der Oberhafen 5+1 e.V. ist die Selbstorganisation der Nutzer*innen im Oberhafen Hamburg, dem größten kreativwirtschaftlichen Cluster der Stadt. In alten Hafenschuppen sind rund 50 Projekte ansässig, wie Handwerksbetriebe, Veranstaltungsorte, Künstler*innen und Allmende-Flächen, die für alle Bürger*innen offen stehen, die ihre Stadt mitgestalten möchten. Der Hamburger Kammerkunstverein e.V. ist einer dieser 50 Einrichtungen. Er bietet niedrigschwellige Crossover-Formate zwischen klassischer Kammermusik und Text an und agiert dabei stets abseits des subventionierten Klassikbetriebs. Die Kooperation zwischen Oberhafen 5+1 e.V. und dem Kammerkunstverein e.V. war deshalb besonders fruchtbar, weil sich hier unterschiedliche Expertisen ergänzt haben.
Ulrich Bildstein ist im Vorstand des Oberhafen 5+1 e.V. und hat beide Audioformate mit entwickelt. © kammerkunst.de
Zu welchem Zweck wurden die Audioformate entwickelt und worin unterscheiden sie sich?
Um den Oberhafen als öffentlichen Ort zu prägen und allen Besucher*innen Gelegenheit zum Mitmachen zu geben, schaffen die Nutzer*innen des Oberhafens vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe. Es gibt öffentliche AGs und Angebote wie z.B. den Gemeinschaftsgarten, Kunstprojekte oder Sport- und Kreativkurse. Wir wollten während des Lockdowns diese Offenheit und Zugänglichkeit beibehalten und weiter entwickeln. Die Audioformate, die durch NEUSTART KULTUR realisiert werden konnten, tragen auf neue Weise dazu bei, Besucher*innen den Ort transparent zu machen und zur Partizipation einzuladen. Besucher*innen können per Audio-Track hinter die Kulissen schauen und einzelnen Betrieben einen Besuch abstatten, sich über die Geschichte des Ortes informieren, mehr über die stadtpolitischen Ziele erfahren und durch künstlerische Beiträge den Ort neu erleben. Es gibt zum Einen den Audio-Guide mit allgemeinen Informationen zum Ort und seinen vielen Projekten und zum Anderen einen Audio-Walk mit eher künstlerischen Beiträge zur Kolonial-Geschichte des Ortes, Klangkollagen und Hafenkonzerte, die zu assoziativem Hören einladen. Beide Projekte ergänzen sich und öffnen vielfältige Zugänge zum Oberhafen.
Auch ein Gemeinschaftsgarten gehört zu den Projekten des Hamburger Oberhafens.
© Oberhafen Hamburg
Wer war an der Realisierung beteiligt und wie können sie genutzt werden?
Die einzelnen Audiostationen wurden in Zusammenarbeit mit Nutzer*innen vor Ort, Zeitzeug*innen, Historiker*innen, Musiker*innen, aber auch Interviewpartner*innen der beteiligten städtischen Entwicklungsgesellschaften realisiert. Die entstanden Hörstücke sind von ganz kurz bis halbstündig und ermöglichen ein detailreiches Eintauchen in die Welt des Oberhafens. Die Audio-Formate werden am Eingang des Geländes per QR-Code und Website angeboten und Besucher*innen benötigten nichts weiter als ein Smartphone. Sie erkunden das Gelände dann Station für Station, bestimmen selbst ihr Tempo und welche Themen sie besonders interessieren.
Was schätzt du an diesen Formaten besonders?
Das Medium kann von jeder Person ganz leicht genutzt werden, denn ein Smartphone haben die meisten immer bei sich. Es verbindet Menschen mit Orten, regt zum Nachdenken an, schafft neue Kollaborationen und ist in seiner Vielstimmigkeit ein Beitrag zu einer lebendigen Zivilgesellschaft.
Wie Besucher*innen bei dieser interaktiven Installation mitmachen können, erklärt ihnen ein*e Ausstellungsbetreuer*in. Sie können selbst Teil der Ausstellung werden, sich ausprobieren, mitgestalten oder einfach nur zuschauen. Die Ausstellungen beim Gaswerk Weimar stellen die Arbeiten lokaler Künstler*innen vor. Sie sind so vielfältig wie die Menschen dieser Stadt, machen Spaß, laden zum Mitmachen ein und regen zum Nachdenken an.
Das Gaswerk Weimar ist ein Ort für Kreativität und Begegnung. Es ist Produktionsstätte, Werkstattbetrieb und Ausstellungsfläche. Kinder und Jugendliche lernen handwerkliches Gestalten, Senior*innen finden neue kreative Herausforderungen, Rentner*innen nutzen Angebote, um aktiv zu bleiben, Künstler*innen realisieren ihre Projekte. Hier stehen die Türen offen für Menschen, ihre Bedürfnisse und Ideen. Das Motto: „Kommt vorbei – seid dabei – macht mit!“
“Lebenslanges Lernen – Musik ohne Grenzen” so heißt ein Projekt der Berliner Symphoniker und des Otto Dibelius Wohnstifts in Berlin. In Kursen und Workshops erarbeiteten Senior*innen Texte zu selbstgewählten Themen und verknüpften diese mit klassischer Musik. Im Mittelpunkt steht dabei die Auseinandersetzung mit persönlichen Lebenserfahrungen und gesellschaftsrelevanten Fragen.
Musik ohne Grenzen nennt sich das Education-Programm der Berliner Symphoniker. Mit diesem generationenübergreifenden Projekt möchten die Symphoniker*innen Menschen jeden Alters erreichen, sie mit ihrer musikalischen Arbeit vertraut machen und für klassische Musik begeistern. Das Kammermusikensemble geht in Kitas, Schulen, Bildungseinrichtungen und Wohnheime, um mit niedrigschwelligen Angeboten Teilhabe zu ermöglichen. Im Rahmen dieses Programms haben sie das Projekt Lebenslanges Lernen auf die Beine gestellt und mit Hilfe der NEUSTART KULTUR Förderung umgesetzt. Rund 30 Bewohner*innen des Otto Dibelius Wohnstifts für altersgerechtes betreutes Wohnen haben gemeinsam mit den Berliner Symphoniker*innen in insgesamt 16 Workshops Ideen entwickelt, Themen, Texte und Musik erarbeitet und die Ergebnisse anschließend einem öffentlichen Publikum präsentiert.
Themenfindung und Workshops
16 Workshops mit 30 Teilnehmenden – was wie eine große Herausforderung klingt, entwickelte durch die gut angelegte Struktur der Workshops schnell eine produktive Dynamik. Zum Einstieg sammelten die Teilnehmenden zunächst Themen. „Beim ersten Treffen gab es sieben oder acht Themenvorschläge. Wir haben uns zusammengesetzt, um darüber zu sprechen. Es gab Vorschläge wie ‘Corona‘ oder ‘Krieg in der Ukraine’, was wir nicht wollten. Wir wollten etwas Schönes. Toleranz war ein Thema, was allen zusagte, ebenso Glück und Reisen. Mit den weiteren Workshops ist viel in Fluss gekommen“, berichtet Teilnehmerin Karin Bellack.
Nachdem schließlich vier Themen erarbeitet waren, konnten die vertieften Workshops beginnen. Dabei hatte jedes Thema wiederum einen Zeitrahmen von vier Workshops. Die Bewohner*innen setzten sich daran, ihre eigenen Erzählungen und Geschichten zu erfassen und in Texten festzuhalten. Dabei brachten sie ihre persönlichen Erfahrungen, Lebensentwürfe und Gedanken ein. Anschließend wurde gemeinsam mit den Symphoniker*innen die passende Musik zu den Texten besprochen – eine spannende und komplexe Aufgabe, die die Musiker*innen teilweise bis in die späten Abendstunden beschäftige, wie Projektleiterin Henrike Wassermeyer weiß.
Nach jedem abgeschlossenen Themenblock wurden Texte und Musik zunächst in hausinternen Aufführungen den anderen Bewohner*innen präsentiert. Dabei standen die Senior*innen teilweise zum ersten Mal selbst im Scheinwerferlicht: „Ich war sehr neugierig, was passiert. Ich habe mich mit einem Thema intensiv beschäftigt, habe mich getraut auf die Bühne zu gehen und meinen eigenen Text vorzutragen“, so Teilnehmerin Eva Mantel. Für sie und die restlichen Beteiligten dienten die vier internen Aufführungen gleichzeitig als Generalprobe für den großen Projektabschluss.
Ergänzende Kurse zu klassischer Musik
Begleitend zu den Workshops nahmen die Bewohner*innen an Kursen zu Musikeinführung und Musiktheorie teil. Hier wurden einzelne Stücke und Konzertprogramme besprochen, Musikinstrumente erklärt, Spieltechniken erläutert und das Leben und Schaffen von Komponist*innen vorgestellt. So konnten die Teilnehmenden ein besseres Gefühl für die Musikauswahl entfalten und außerdem Spaß an klassischer Musik entwickeln oder vertiefen. Die Kurse stießen auf große Begeisterung unter den Bewohner*innen des Otto Dibelius Stifts. Karin Bellack schwärmt: „Ich bin sehr unmusikalisch, kann keine Noten lesen. Aber ich habe hier so viel gelernt über Musikinstrumente, über Komponisten. Die Zusammenarbeit mit den Musiker*innen war sehr herzlich und zugewandt“.
Die Kombination aus Kursen und Workshops machte das Projekt zu einem echten Erlebnis für alle Beteiligten. Die intensive Beschäftigung mit Texten und Musik und der Austausch miteinander beeindruckte auch die Musiker*innen. Es sei bei weitem das Beste gewesen, was er an Workshops erlebt hat, so Violinist Edgar Petri. „Wir waren alle gefragt, daran mitzuarbeiten. Der Kontakt, die Ideen konnten nur wachsen, weil es viel Zeit miteinander gab.” Musiker Philippe Perotto, der das Projekt mit konzipiert hat, betonte zudem, dass in den Workshops alles auf Augenhöhe geschieht. Die Grundidee des Projekts sei eine echte Zusammenarbeit zwischen Teilnehmenden und Musiker*innen.
Darüber hinaus sahen Teilnehmende im Projekt eine wertvolle Gelegenheit, andere Bewohner*innen neu und besser kennenzulernen. Die intensive Beschäftigung miteinander hat die Teilnehmenden näher zusammengebracht und das Gruppengefühl gestärkt.

Großes Abschlusskonzert im Festsaal
Nach den hausinternen Aufführungen war es dann so weit: Eine Auswahl an Texten wurde getroffen und von den Bewohner*innen bei einem großen, öffentlichen Abschlusskonzert im Festsaal des Otto Dibelius Stifts präsentiert: die Themen Glück, Reisen, Toleranz sowie Mensch und Natur kamen auf die Bühne des gut gefüllten Festsaals – und dieses Mal sogar mit größerer musikalischer Besetzung.
In vier musikalischen Lesungen erzählten die Teilnehmenden von Erinnerungen aus ihrer Kindheit, von Lieblingsorten und -landschaften, Herausforderungen, Lebensreisen, Spuren der Vergangenheit und Formen des Erinnerns. Begleitet vom Kammermusikensemble und den Klängen von Händel und Mozart gestalteten die Senior*innen einen berührenden Abend – gefühlvoll, persönlich und eindrücklich.

Spätestens nach der gelungenen Abschlussaufführung waren sich alle Beteiligten einig: das Beschäftigen mit klassischer Musik, das Auseinandersetzen mit der eigenen Geschichte, die Herausforderung der Präsentationen und der Austausch untereinander wurden als großer Gewinn und Bereicherung empfunden. Alle – Initiator*innen, Bewohner*innen und Musiker*innen – möchten das Projekt unbedingt weiterführen.
Von NEUSTART KULTUR geförderte Kulturveranstalter*innen und Betreibende von Kultureinrichtungen mit fester Bestuhlung können bei der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft (DTHG) ein Zertifikat über die Lufthygiene in ihren Räumlichkeiten beantragen.
Das seit 15. September 2022 bestehende Zertifikat kann dazu beitragen, Besucher*innen von Kulturveranstaltungen die Sorge vor Gesundheitsrisiken zu nehmen und dadurch mehr Gäste zu Veranstaltungen zu locken. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) hat für das Zertifizierungsverfahren 6 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Geäußerte Bedenken, dass ein Zertifikat künftig zur Bedingung für den Erhalt einer Förderung gemacht werden könnte, wurden seitens der BKM entkräftet, dazu gebe es keinerlei Planungen.
Darüber hinaus bietet die DTHG eine Selbstprüfung an. Diese Prüfungsmöglichkeit erfolgt durch eine digitale Checkliste auf der Website der DTHG und steht allen soziokulturellen Zentren kostenlos zur Verfügung.
Sowohl das Zertifikat wie auch das Selbstprüfungs-Label können im Eingangsbereich gut sichtbar angebracht werden, um das Publikum direkt beim Einlass oder Kartenkauf über den Hygienestandard des Hauses zu informieren.
Mehr Informationen findet ihr auf der Website der DTHG
Nur zu Fuß erreichbar, uralt und nun wiederentdeckt. Das ist der Waldschlucht Baustellenkiosk in Bad Kohlgrub, einem kleinen oberbayerischen Dorf im Kreis Garmisch-Partenkirchen. Karola Woll macht sich auf den Fußweg, um mehr darüber zu erfahren, wie diese städtische Idee für ein Kulturzentrum auf dem Land unter Beteiligung der Anwohner*innen umgesetzt wird.
Mein Weg beginnt am Parkplatz des Sportplatzes in Bad Kohlgrub. Von hier aus geht es nicht mehr mit dem Auto weiter, sondern, wie für alle Besucher*innen des Waldschlucht Baustellenkiosks, zu Fuß. Eine Schiefertafel weist mir den Weg, der mich über einen unasphaltierten Waldweg in den Wald führt. Die Sonne ist schon fast untergegangen und die Strecke zum Baustellenkiosk ist dunkel und unbeleuchtet. Später lerne ich, dass es dafür einen sehr guten Grund gibt: die Tiere und das Leben im Wald sollen nicht durch Beleuchtung gestört werden. Dieser Respekt vor der Natur und der Einbezug der lokalen Bevölkerung sind bezeichnend für das Konzept des Waldschlucht Baustellenkiosks, das folgendem Prinzip folgt: Die Idee, die in einer Stadt, nämlich in München, geboren wurde, soll in Einklang mit dem stehen, was auf dem Land schon lange vor der Idee vorhanden war – nämlich den Bewohner*innen und natürlich der Natur.

Rosi von früher
Nach einem zehnminütigen Fußmarsch durch den dunklen Wald mit beruhigender Soundkulisse sehe ich Licht. Vorbei an einem kleinen Naturpool empfangen mich kleine Büdchen und Zelte, liebevoll hergerichtet aus gebrauchten Materialien und mit Sitzmöbeln bespickt. Auf der kleinen Bühne spielt eine Band Hard Rock. An der Theke des Verpflegungsbüdchens, das für seine leckeren hausgemachten Pommes bekannt ist, entdecke ich das Bild einer alten, herzlich aussehenden Dame. Sie serviert lächelnd Kaffee und Kuchen und strahlt Wärme und Geselligkeit aus. „Das ist Rosi. Sie war die gute Seele des Waldcafés“, meint Charlotte Höltzig, die den Waldschlucht Baustellenkiosk leitet und mir alle interessanten Dinge zur Entstehung und zum Betrieb der Kulturstätte erzählt.
Denn an diesem faszinierenden Ort in den Bergen, umgeben von Grün, Idyll und Ruhe, gab es schon in den 1920er Jahren ein Café mit Waldbühne. Es war, wie heute wieder, ein beliebtes Ausflugsziel im Ammertal. Bereits damals lockten Theater, Musik, Freibad, Kuchen und Zusammenkommen die Bewohner*innen aus den umliegenden Dörfern an. Lange Zeit lag dieser Ort der Geselligkeit brach, bis die Brüder Julian und Daniel Hahn ihn wiederentdeckten. Die beiden Geschäftsführer etablierten bereits in München mit viel Kreativität, Mut und vor allem Erfolg die Kulturbetriebe Gans woanders, Gans am Wasser, Café Lozzi und die Alte Utting. Mit dem Reiz, dass hier viel mehr Platz vorhanden ist als in der Stadt, verfolgen Julian, Daniel sowie Charlotte die Vision, auf dem Land eine Kulturstätte mit Einflüssen zu bieten, die ein bisschen anders sind.

Bayerische Weltmusik und Kunsthandwerk von heute
Und diese etwas anderen Einflüsse findet man unter anderem im Musikprogramm: von Skandinavischen Klängen, Latin-Pop, Salsa, Electronic Music, Lo-fi, über Bayerisch Italo-Folk, Experimental Indie Folk, Bayerisch Blues, Global Beats, bis Rock, Pop und Punk. Alles dargeboten von Musiker*innen und Bands aus der Region, die teilweise schon 20 oder 30 Jahre existieren. So ist die Verbindung zum bereits Vorhandenen hergestellt. Und diese ist außerordentlich harmonisch. Charlotte erzählt mir, dass die Beziehungen zu den Bands sehr persönlich sind und auch mit anderen Kultureinrichtungen enge Kollaborationen bestehen, wie beispielsweise mit dem Forum Westtorhalle e. V. aus dem naheliegenden Murnau.
Neben dem musikalischen Bühnenprogramm finden unter der Rubrik „Waldzeit“ Workshops in Landart, Linoldruck oder Basteln und gemeinschaftliche körperliche Aktivitäten statt. Schon die ganz Kleinen werden in einem Kinderprogramm mit Basteln, Schminken, Naturmaterialien und Upcycling an Kultur und Natur herangeführt. Die Workshopleiter*innen sind natürlich ebenfalls aus der Region, einem Landstrich, in dem Kunsthandwerk überall sichtbar ist und gelebt wird, zum Beispiel in der Bildhauerei. Daher sind Kunst und Kultur hier fest im alltäglichen Tun integriert und eingebunden.

Alles ist miteinander verbunden – Zusammenhalt
Im Großen wie im Kleinen unterstützen die Bad Kohlgruber*innen den Waldschlucht Baustellenkiosk, wie auch der Bürgermeister, der genau wie viele Anwohner*innen zur Eröffnung im Sommer 2021 kam. Zehn Bad Kohlgruber*innen halfen sogar, den schweren Werkzeugträger, der normalerweise von einem Auto gezogen werden muss, vom Gelände zu schieben, damit die Feier noch gemütlicher werden konnte. Hier kennt man sich untereinander und trifft sich zum Austausch, Beisammensein und um unterschiedliche Sichtweisen auszudiskutieren. Der Waldschlucht Baustellenkiosk scheint dafür der ideale Ort zu sein: Er versammelt viele verschiedene Leute um sich und fördert Gemeinschaft und Zusammenhalt. Es herrscht eine aufgeschlossene, ruhige und tolerante Atmosphäre.
Und ich glaube, Rosi würde das heutige Programm und das Konzept ihrer einstigen Wirkungsstätte sehr gefallen. Eine Idee aus der Stadt, gepaart mit Respekt vor der Natur und Einbeziehung vorhandener ländlicher Strukturen, haben den Waldschlucht Baustellenkiosk zu einer prosperierenden Stätte für kulturelle Teilhabe gemacht.