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Ingrid Ebinal ist Vorstandsmitglied der LAG Soziokultur Schleswig-Holstein und Geschäftsführerin des Kulturbahnhofs Viktoria in Itzehoe. Wir haben mit ihr über die hohen Energiepreise und ihre Auswirkungen auf soziokulturelle Zentren gesprochen. Wir führten das Interview am 13. Dezember 2022.

NEUSTART KULTUR: Liebe Ingrid, wie viel Krise kann die Soziokultur noch ertragen?

Ingrid: Es ist ja die ureigene Aufgabe der Soziokultur, Krisen zu bewältigen. Und es gab ja auch schon viele Krisen, in denen sie sich als sehr resilient erwiesen hat und gestärkt daraus hervorgegangen ist. Die Soziokultur selbst wird das überwinden. Aber die derzeitigen Krisen – zuerst Corona und jetzt die Energiekrise – gehen eben auch an die Substanz einzelner soziokultureller Zentren. Einige werden das nicht überleben. Also insofern kann die Soziokultur eigentlich nichts mehr vertragen.

Das ist ja vor allem die aktuelle Energiekrise. Welche soziokulturellen Zentren sind von den höheren Energiepreisen besonders betroffen?

Im Großen und Ganzen kann man sagen: alle Veranstaltungshäuser. Das heißt, soziokulturelle Zentren, in denen zum Beispiel Konzerte und Theaterstücke stattfinden, die also große Hallen bespielen und beheizen müssen. Gerade wenn man Theater macht, dann gibt es ja nicht nur den Tag der Aufführung, sondern es gibt auch die Probentage und viele Nebenräume, die man ebenso beheizen muss. Wer eine Halle für 500 bis 1000 Leute hat, der kann sich in diesem Winter arm heizen. Und es gibt einige große Häuser bei uns in Schleswig-Holstein. Die JugendAkademie in Segeberg zum Beispiel hat elf Räume mit insgesamt 1500 Quadratmetern zu bewirtschaften, dort hat sich der Gaspreis um 650 Prozent und der Strompreis um 350 Prozent erhöht. Da ist unklar, ob die Preisbremse greifen kann.

Wie reagieren die Häuser auf diese Situation?

Zum einen ist vielen Häusern durch die Corona-Zeit das Publikum weggeblieben. Alle haben noch damit zu kämpfen, ihr Publikum zurückzuholen. Wenn man vorher eine Veranstaltung für 500 Leute gemacht hat und jetzt nur noch 100 kommen, dann kann man das nicht mehr finanzieren. Von einigen weiß ich, dass sie ganz kritisch ihre Veranstaltungspläne durchgucken und auch Veranstaltungen streichen, wenn sie sehen, dass nicht ausreichend Publikum zu erwarten ist. Vieles, was man gerne machen würde, bleibt also auf der Strecke. Der andere Punkt ist, dass einige Häuser dazu übergegangen sind, einen Euro zusätzlich für die Energie zu verlangen, damit die Halle beheizt werden kann. Das Publikum macht das wohl auch mit, soweit ich bisher gehört habe.

Publikumsschwund trifft auf Energiekrise. Du hast die dadurch entstandenen Existenznöte schon angesprochen. Wie äußern sie sich in der Praxis?

Durch die Corona-Zeit sind einige Zentren in Existenznöte gekommen, weil sie so lange, lange Schließzeiten hatten. Sie konnten zwar Fördergelder für die Wiedereröffnung bekommen, aber wir müssen auch sehen, dass diese eher in den Städten beantragt werden. Auf dem Land gibt es viele kleine Zentren, die komplett ehrenamtlich geführt werden. Sie sind gar nicht in der Lage, sich so viel Kenntnis zur Förderpolitik anzueignen, um sich damit helfen zu können. Einige sind wirklich komplett an den Rand gefahren und haben jetzt die Energiekrise obendrauf. Manche sagen: „Wir brauchen eigentlich gar nicht wieder zu öffnen, das macht gar keinen Sinn, wenn wir nicht irgendwo eine institutionelle Förderung bekommen.“ Bei uns in Schleswig-Holstein bekommen nur 50 Prozent aller LAG-Mitglieder öffentliche Gelder. Die andere Hälfte unserer Mitglieder, wozu auch wir, der Kulturbahnhof Viktoria, gehören, hat keinerlei institutionelle Förderung. Wir sind auf Projektgelder angewiesen, bei denen es schwierig ist, zusätzliche Energie- oder Heizkosten abzurechnen. Oftmals ist das gar nicht möglich.

Da scheint die Politik gefragt. Was erhofft ihr euch aus dieser Richtung?

Es ist gut, wenn der Bund Gelder bereitstellen will. Aber das Antragsprozedere sollte so schlank wie möglich gestaltet werden. Es sollte keine komplizierten Formulare geben, wo jeder gleich kapituliert. Und es muss eine gute Beratung angeboten werden. Das wird ja durch die Landesverbände auch geleistet werden, aber man darf nicht vergessen, dass es auch kulturelle Einrichtungen gibt, die nicht bei uns organisiert sind. Deswegen müssen die Anträge einfach verständlich und schlank konzipiert sein.

Kommen wir zu eurer Situation in Itzehoe. Der Kulturbahnhof Viktoria ist kein Veranstaltungshaus. Ihr macht hauptsächlich Medienpädagogik mit Kindern und Jugendlichen. Wie betreffen euch die gestiegenen Energiepreise?

Wir arbeiten viel mit Schulklassen zusammen. Wir haben ein Radiostudio und arbeiten im Rahmen unserer medienpädagogischen Projekte mit Kindern und Jugendlichen zu Radio und Film, auch in inklusiven Projekten. Wir sind aber nicht in dem Maße energieabhängig wie ein großes Veranstaltungshaus. Hier in unserem Bahnhofsgebäude haben wir außerdem Glück: Strom und Heizung kommen direkt von der Bahn und damit sind wir ohnehin schon günstiger, als wenn wir uns den Strom am Markt besorgen müssten. Aber an unserem Vereinssitz in Burg hat sich der Strompreis locker verdreifacht, die Heizkosten haben sich vervierfacht. Das ist enorm für unseren kleinen Verein.

Ihr habt mit eurer Förderung durch NEUSTART KULTUR in die Digitalisierung investiert – das ist auch ein Stromfresser, oder?

Um die Digitalisierung kommen wir gar nicht herum und wir wollen den Bereich ja auch intensivieren. Und das geht nun einmal nicht ohne Strom. Bei den Energiekosten für die Kurse und die digitale Ausstattung handelt es sich aber wirklich um relativ kleine Posten. Wir haben uns gerade im letzten Jahr mit dem Investitions-Fördertopf einiges an Technik zulegen können, um diesen Bereich professioneller auszurüsten. Und da haben wir vor allem Energiesparsamkeit im Fokus gehabt. Die neuen Lampen zum Filmen sind jetzt LEDs und verbrauchen nicht mehr 1000, sondern nur noch 50 Watt. Wichtig ist vor allem, eine Politik weg von den fossilen Energien zu fordern und uns das auch immer wieder bewusst zu machen, mitzudenken und uns dafür einzusetzen.

Worin siehst du die Resilienz der Soziokultur? Wie schafft sie es, immer wieder durch die Krisen zu kommen?

In Krisen kommt die Soziokultur immer ganz schnell aus den Puschen und sagt: „Mensch, da müssen wir was tun.“ Hier sind Menschen, die sagen: „Wir packen das selber an.“ und „Wir suchen die Gemeinschaft, um das miteinander stemmen zu können.“ Das sind die Urgedanken der Soziokultur und die kommen immer dann am stärksten zum Tragen, wenn die Krisen größer werden.

Vielen Dank für das Gespräch.


Das Interview ist im Magazin SOZIOkultur zum Thema Energie erschienen. Diese und weitere Ausgaben findet ihr auf der Website des Bundesverbandes Soziokultur.

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