Das Programm NEUSTART KULTUR ist eines der wenigen Investitionsprogramme, die ausdrücklich dazu aufgerufen haben, den eigenen ökologischen Fußabdruck bei Investitionen zu reflektieren und gering zu halten. Wir haben vier geförderte Einrichtungen gefragt, wie sie pandemiebedingte Investitionen mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpft haben und vor welchen Herausforderungen sie standen.
Der Verein Galgenberg 2 e.V. hat durch den Bau von Komposttoiletten für den Außenbereich Barrierefreiheit mit Ressourcenschonung verknüpft. Mit dem erweiterten Toilettenangebot hat der Verein gleichzeitig die Hygieneauflagen umgesetzt. Außerdem hat er das Prinzip „gebraucht statt neu“ konsequent verfolgt, auch bei der Photovoltaikanlage. Dabei ist die Grundeinstellung eindeutig: „Ökolabel? Klar achten wir darauf!“
Komposttoilette des Galgenberg 2 e.V.
© Galgenberg 2 e.V.
Der Verein Kulturgut Freiland e.V. arbeitet nach dem Motto „möglichst viel selbst machen“ und hat auf mobile Lösungen gesetzt, die das Arbeiten im Freien möglich machen und an Dritte verliehen werden können. Investiert wurde in mobile Komposttoiletten, einen mobilen Garderobenwagen und einen Bürowagen. Es wurden Schraub- und Stecksysteme für den schnellen Auf- und Abbau verbaut.
Der Verein Meerkultur e.V. hat über eine stromgeführte Heizung nebst Speicher, die von einer Photovoltaikanlage gespeist werden, zusätzliche Räumlichkeiten für Besucher*innen erschlossen. Damit hat er gezeigt, dass man emissionsarm und platzsparend heizen kann. Ein bereits gedämmtes Gebäude führte zu einem geringen Wärmebedarf, der mit dieser Variante sogar in der lichtarmen Jahreszeit gedeckt werden soll.
Der Verein Zucker e.V. hat nach jahrelangen Zwischennutzungen endlich über einen langjährigen Pachtvertrag einen zentral gelegenen Hochbunker für die Bremer Kulturlandschaft erschlossen. Die Fördermittel von NEUSTART KULTUR setzte er für die Kofinanzierung einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ein, die die Hygieneauflagen erfüllt.
Photovoltaikanlage auf dem Atelierdach des Meerkultur e.V.
© Meerkultur e.V.
Nachhaltigkeitsprinzipien
Die Beispiele zeigen, dass es gelingen kann, bei Investitionen ganzheitlich zu agieren. So vereint die barrierearme Komposttoilette alle Kriterien einer nachhaltigen Investition: Sie wurde weitestgehend aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut, funktioniert ohne Wasser und amortisiert sich damit vergleichsweise schnell. Langfristig führt diese Investition zu geringeren Verbrauchskosten als ein mit Wasser betriebenes WC. Die Berücksichtigung der Wärmerückgewinnung bei einer verpflichtend einzubauenden Lüftungsanlage ist zwar kostenintensiver, senkt jedoch dauerhaft die Kosten für Heizung und Warmwasser. Die Beschaffung gebrauchter Dinge spart Ressourcen und ist mit geringeren Kosten für die Anschaffung verbunden.
Allen Beispielen ist gemein, dass die Einrichtungen die Investitionen entlang eigener Nachhaltigkeitsprinzipien geplant haben: teilen statt besitzen, gebraucht statt neu, möglichst regional, mobil und flexibel, so emissionsarm wie möglich. Dass das Programm NEUSTART KULTUR dies zuließ, empfanden alle als motivierend und bereichernd.
Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit
Die Arbeit der Förderreferent*innen bezeichneten alle als unterstützend und hilfreich. Es überwog das Gefühl, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Dinge zu ermöglichen. „Wir haben uns wertvoll gefühlt“, sagen Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland. Gleichzeitig sagen sie, dass manchmal noch eine Hemmschwelle bestehe, die Förderreferent*innen bei Fragen zu kontaktieren. Sie seien zu Beginn unsicher gewesen, inwiefern Fragen negativ ausgelegt werden könnten. Insgesamt waren jedoch alle Befragten sehr zufrieden mit der Unterstützung und Beratung durch die Förderreferent*innen. Gleichzeitig waren die formalen Abläufe von Antragstellung bis zum Verwendungsnachweis für ehrenamtlich geführte Einrichtungen nicht immer leicht nachzuvollziehen. Gerade bei Investitionen sei es hilfreich, wenn der Auszahlungsplan nicht vom Programm vorgegeben wird, sondern sich stärker an den Zahlungsanforderungen der durch die Investitionen initiierten Prozesse orientiert.
Photovoltaikanlage des Galgenberg 2 e.V.
© Galgenberg 2 e.V.
Nutzen und Herausforderungen des Förderprogramms
„Dass Investitionen im Kulturbereich gefördert wurden, kam zur richtigen Zeit“, sagt Ida vom Verein Meerkultur. Das Programm reagierte auf die Notsituation, die durch die Pandemie erzeugt wurde, und fokussierte auf den Umbau kultureller Einrichtungen mit dem Ziel, den Publikumsbetrieb trotz Hygieneauflagen zu erhalten. Ein Mitglied des Aktionsteams des Vereines Galgenberg hebt die Flexibilität des Investitionsprogramms hervor. Die Investitionen haben über die Einhaltung von Hygieneauflagen hinaus einen zusätzlichen Nutzen geschaffen. Das Programm habe die Gelegenheit geboten, überhaupt in nachhaltige Sanitäreinrichtungen zu investieren. Das allein sei bereits ein Gewinn, meinen Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland. Für die Lüftungsanlage im Hochbunker war das Programm eine zwingend notwendige Investitionsergänzung. Ohne sie hätten die Lüftungsanlage nicht pandemiegerecht erneuert werden können. Die Kosten der Maßnahme überstiegen den Rahmen von NEUSTART KULTUR allerdings um ein Vielfaches, sagt Kriz vom Zucker e.V.
Die Umsetzung der Investitionsmaßnahmen verzögerten sich während der Pandemie aufgrund von Lieferengpässen und Personalknappheit mehr als üblich. Personal- und Materialkosten und -verfügbarkeit, die bei Antragsstellung recherchiert wurden, konnten sich bis zum Zeitpunkt der Durchführung stark verändert haben. Bei einigen Projekten führen veränderte Rahmenbedingungen zu teilweise mehr als 100 Prozent Mehrkosten. Die Folgen waren, dass bei vielen Einrichtungen, die über das Programm gefördert wurden, der Kostenrahmen angepasst werden musste. Teilweise mussten zusätzliche Mittel von anderen Stellen akquiriert werden. Solche Risiken sind generell schwer kalkulierbar, nicht nur bei Investitionen mit Nachhaltigkeitsbezug.
Das Ausmaß an Verzögerungen, Lieferengpässen und Kostensteigerungen, mit denen sich viele Einrichtungen bei der Umsetzung ihrer Investitionsprojekte konfrontiert sahen, war zu Beginn von NEUSTART KULTUR nicht absehbar und erforderte eine besondere Flexibilität in der Umsetzung des Programms. Durch Anpassungen konnten Fristen verlängert und Aufstockungen nachgereicht werden.
Innenraum des mobilen Garderobenwagens des Kulturgut Freiland e.V.
© Kulturgut Freiland e.V.
Weiterer Bedarf an Investitionsmitteln für Nachhaltigkeit
In den nächsten Jahren müssen viele Gebäude mit Kulturbetrieb energetisch saniert werden. Die meisten müssen ihre Heizung noch auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Hier ist es ratsam, Förderung, Beratung und konkrete Ausführungsplanung von Sanierungsmaßnahmen enger miteinander zu verzahnen, etwa in Bezug auf Prüf- und Bewilligungszeiträume und im Umgang mit Kostensteigerungen.
Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland würden gerne weitermachen: „Wir wollen in Nachhaltigkeit investieren und wünschen uns mehr Förderprogramme, die das möglich machen!“ Dass sich das lohnt, zeigten die Erfahrungen des Vereins Meerkultur bereits im ersten Winter: Dank neuer Heizung und eigener Energieerzeugung seien sie viel resilienter aufgestellt und kamen gut durch die Energiekrise. Entsprechend klar formuliert Ida vom Verein Meerkultur, was sie sich für die Zukunft wünscht: „Es sollte ein Investitionsprogramm aufgelegt werden, um die Umstellung auf erneuerbare Energien und die energetische Sanierung und Wärmedämmung von Gebäuden zu ermöglichen. Es ist wichtig, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken. Denn so senken wir auch die laufenden Kosten.“ Die Beispiele haben gezeigt, dass die Bereitschaft groß ist, sich mit nachhaltigen Investitionen zu befassen und die Mittel effizient und kreativ einzusetzen.