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Beratungsprozesse dokumentieren, Anträge verwalten, den Projektfortschritt im Blick behalten und Berichte erstellen – all diese Aufgaben können mit CiviCRM umgesetzt werden. Das Modul CiviCase ist für das Fallmanagement in gemeinnützigen Organisationen entwickelt worden. Der Bundesverband Soziokultur hat damit ein Portal zur Verwaltung von Förderanträgen aufgebaut.

„Wir haben heute unseren ersten Zuwendungsvertrag versendet!“ verkündet die Projektleiterin zu Beginn einer CiviCRM-Schulung dem Dienstleister fröhlich. Die anderen Mitglieder des Teams grinsen stolz wie Kinder, die gerade einen besonders hohen Turm aus Bauklötzen fertiggestellt haben. „Ja, das habe ich schon gesehen“ erwidert unser Dienstleister zufrieden.

Hinter dem Projektteam des Bundesverband Soziokultur lagen intensive Wochen. Ein neues Förderprogramm für Kultureinrichtungen war angelaufen, das der Verband durchführte. In kurzer Zeit bauten die Mitarbeiter:innen der Geschäftsstelle die Infrastruktur zur Abwicklung des Programms auf und sammelten Ideen, wie eine bislang ungekannt große Anzahl an Förderanträgen durch die Digitalisierung von Prozessen bewältigt werden konnte.

Fallmanagement für Förderanträge mit CiviCase

Fortan sollten Anträge über ein digitales Formular gestellt und über eine zentrale Plattform von den Förder-Referent:innen bearbeitet werden können. Eine weitere Anforderung war, dass alle im Förderprozess erforderlichen Dokumente, wie Prüfvermerke oder Zuwendungsverträge, über die Plattform generiert werden können. Bereits einige Wochen zuvor hatte ein anderes, deutlich kleineres Projektteam angefangen, erste Prozesse rund um die Einreichung von Förderanträgen für soziokulturelle Einrichtungen in ländlichen Räumen mit CiviCase umzusetzen.

CiviCase ist ein Modul innerhalb der Open-Source-Software CiviCRM, mit dem Fälle und alle dazugehörigen Informationen erfasst, Beziehungen zwischen Personen verwaltet, Aufgaben zugewiesen und Interaktionen zwischen beteiligten Personen protokolliert werden können. Im Zusammenspiel mit den anderen Komponenten von CiviCRM – wie der Kontaktverwaltung – bietet es eine ideale Ausgangslage für die Förderantragsverwaltung oder ähnliche Vorhaben.

Zentrale Verwaltung der Anträge und Monitoring des Projektfortschritts

Durch das neue Förderprogramm für kleinere und mittlere Kultureinrichtungen, das im Frühjahr 2020 startete, nahm der Prozess der Entwicklung eines Förderportals an Fahrt auf. Gut 1.500 Anträge gingen über das digitale Formular ein und sollten schnellstmöglich und den rechtlichen Vorgaben entsprechend bearbeitet werden. Die Herausforderung war nun, gemeinsam mit unserem Dienstleister das Modul CiviCase so anzupassen, dass die Verwaltung der Förderanträge für diese erhebliche Menge von Anträgen funktionierte. Denn nur wenige Monate später folgte ein weiteres Förderprogramm, das wir ebenfalls mit CiviCRM verwalteten.

Jeder Antrag stellte einen Fall dar, den ein:e Förderreferent:in zur Bearbeitung zugewiesen bekam. Diese Person war auch Ansprechpartner:in für die Antragsteller:innen der jeweiligen Kultureinrichtung. Die einzelnen Bearbeitungsschritte im Förderprozess stellten wir durch verschiedene Fallstatus dar, die zudem für das Monitoring des Projektfortschritts insgesamt dienten. Zunächst ging es an die Prüfung der Anträge. Die Förderreferent:innen arbeiteten anhand einer detaillierten Checkliste im Portal die Prüfkriterien ab und erstellten daraus einen Prüfvermerk, der für die Dokumentation der Entscheidung wichtig ist.

Die Zuwendungsverträge selbst generierten wir anhand einer Vorlage, in die zentrale Daten der Antragsteller, wie Adresse, Vertragsnummer und beantragte Maßnahmen, automatisch eingespielt wurden. Auch die Kommunikation mit den Antragsteller:innen dokumentierten wir in jedem Fall. Über die sogenannten Aktivitäten innerhalb der Fälle können Gesprächsnotizen und Begründungen angelegt werden. Zudem sind dort ausgehende E-Mails und erzeugte Dokumente sowie jegliche Änderungen am Datensatz erfasst. Diese zentrale Dokumentation von allen Bearbeitungsschritten stellte zugleich eine große Transparenz her, die uns flexibel agieren ließ: Selbst wenn die Antragsteller:innen ihre zugewiesenen Förderreferent:innen wegen Krankheit oder Urlaub einmal nicht erreichten, konnte problemlos ein anderes Teammitglied übernehmen und Auskunft über den Stand der Dinge geben.

Überblick über die Finanzverwaltung und gezielte Kommunikation

Für uns war zudem wichtig, dass wir alle finanziellen Mittelflüsse über das Portal verwalten konnten. In jedem Fall war die Summe der bewilligten Mittel hinterlegt. Über einen Button auf der Website unseres Antragsportals konnten die Geförderten ihre Mittel abrufen, Rückzahlungen anmelden und nach Projektabschluss ihren Verwendungsnachweis einreichen, der am Ende jedes Förderprojektes nötig ist.

Um während der gesamten Bearbeitungsdauer den Überblick zu behalten, legten wir verschiedene Übersichten an. Dadurch konnten sich die Mitarbeiter:innen aller Aufgabenbereiche – Antragsprüfung und -betreuung, Finanzverwaltung und Projektleitung – die Fälle anhand bestimmter Kriterien filtern. Auch gezielte Kommunikation ist damit möglich. Wenn etwa die Frist zur Verausgabung von Mitteln bevorstand, erinnerten wir die betreffenden Geförderten im Vorfeld daran. An all diese Erfordernisse konnten wir die Software mithilfe unseres Dienstleisters anpassen.

Der Aufbau des Förderportals war eine Teamleistung

Der Weg zum gewünschten Ergebnis war stellenweise sehr zeitintensiv, denn wir mussten immer im laufenden Prozess agieren: Anforderungen für den Dienstleister formulieren, neue Funktionen erproben, nachjustieren und umgehend mit den Anpassungen der Software weiterarbeiten, um im Zeitplan zu bleiben.

Für das Gelingen war die Mitarbeit jedes Teammitglieds unentbehrlich. Die Projektleitungen sorgten dafür, dass jegliche Finessen des Zuwendungsrechts in eine technische Lösung übersetzt wurden, schulten das Team und behielten das große Ganze im Blick. Die Finanzadministration sorgte für einen reibungslosen Mittelfluss und stellte über umfangreiche Listen die Korrektheit der Zahlungsdaten sicher. Civi-Beauftragte kümmerten sich um die Wissensdokumentation und waren erste Ansprechpartner:innen für Fehlermeldungen.

Foto: Katrin Kalinkus

Die Förderreferent:innen testeten mit Feuereifer neue Anpassungen auf Funktionalität und Usability. Sie gaben wichtige Rückmeldungen dazu, welche Übersichten zum optimalen Workflow gebraucht wurden. Das Team der Öffentlichkeitsarbeit durchstöberte die Datenbank nach spannenden Förderprojekten, um darüber zu berichten. Unser Dienstleister war stets die Ruhe im Sturm und hat unsere Anforderungen lösungsorientiert und passgenau umgesetzt. Und das Team-Maskottchen Herr Nilsson erklärte sich bereitwillig zum Sündenbock für sämtliche Bugs und Seltsamkeiten.

Erklärvideos und Tutorials für Geförderte

Doch nicht nur intern, sondern auch den Geförderten der Programme wollten wir einen möglichst reibungslosen Ablauf beim Einreichen von Mittelabrufen und der Erstellung des Verwendungsnachweises bieten. Die Herausforderung war, die rechtlichen Vorgaben, die es bei der Erstellung von Verwendungsnachweisen gibt, mit der Bedienbarkeit der digitalen Formulare zusammenzubringen. Dies musste dann auch den Ansprechpersonen der zahlreichen geförderten Kultureinrichtungen vermittelt werden.

Das Team der Öffentlichkeitsarbeit drehte zu den einzelnen Schritten, wie der Einreichung eines Mittelabrufs oder der Anmeldung von Rückzahlungen, die Videoreihe „Förder-ABC“. In der wurde erläutert, welche Angaben wir brauchten und wie die Geförderten diese im Förderportal eingeben konnten. Für die Einreichung des Verwendungsnachweises, in dem die Umsetzung des geförderten Projektes sowohl inhaltlich als auch durch Ausgabennachweise dokumentiert werden muss, hat das Team sogar ausführliche Videotutorials erstellt.

Auf der Website des Förderprogramms stellten wir bestimmte Daten zum Förderprogramm, etwa Grafiken zur Anzahl bewilligter Anträge und eine Übersicht über alle geförderten Einrichtungen, bereit. Durch die Verwaltung von allen relevanten Daten des Förderprogramms in CiviCRM hatten wir sowohl für eigene Auswertungen als auch für die Öffentlichkeitsarbeit eine perfekte Datengrundlage.

CiviCRM weiterentwickeln und Wissen teilen

„Jawoll, alle Dateien und Dokumente sind vollständig!“, stellen wir erleichtert fest. Gerade haben wir eine neue Erweiterung getestet, mit der wir alle Fälle eines Programms nach dessen Abschluss exportieren können, um sie zu archivieren. Damit liegt ein Abbild der Fallansicht als HTML-Datei vor, über die alle Dokumente des Antrags verknüpft sind. Die Erweiterung wurde im Rahmen unserer Förderung programmiert. Sie steht aber auch allen anderen zur Verfügung, die CiviCRM mit dem Modul CiviCase in ähnlicher Weise nutzen. Denn den Code selbst und damit das Wissen über Weiterentwicklungen zu teilen, ist das Grundprinzip von Open-Source-Software.

Seit dem Versand des ersten Zuwendungsvertrags, den wir mit CiviCRM erstellt haben, sind rund drei Jahre vergangen. Die ersten Förderprogramme sind bereits abgeschlossen und weitere sind in der letzten Programmphase angekommen. Jedes Mal, wenn wir das Förderportal für den Start eines neuen Programms oder einer neuen Ausschreibungsrunde angepasst haben, hat das jeweilige Team mit dem Dienstleister noch an der einen oder anderen Stelle gefeilt. So haben wir ein wirklich gutes digitales Werkzeug für unsere Erfordernisse geschaffen.

Insgesamt hat es eine Menge an Nervenstärke und Stressresistenz erfordert, dass manchmal gefühlt alles gleichzeitig umgesetzt werden musste. Am Ende aber hat es die Teams auch zusammengeschweißt und ihnen viel Energie gegeben, dass alle nicht nur gemeinsam auf ein Projektziel hingearbeitet haben, sondern ganz nebenbei noch an der Weiterentwicklung von CiviCRM insgesamt mitgewirkt haben.


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Das Programm NEUSTART KULTUR ist eines der wenigen Investitionsprogramme, die ausdrücklich dazu aufgerufen haben, den eigenen ökologischen Fußabdruck bei Investitionen zu reflektieren und gering zu halten. Wir haben vier geförderte Einrichtungen gefragt, wie sie pandemiebedingte Investitionen mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpft haben und vor welchen Herausforderungen sie standen.

Der Verein Galgenberg 2 e.V. hat durch den Bau von Komposttoiletten für den Außenbereich Barrierefreiheit mit Ressourcenschonung verknüpft. Mit dem erweiterten Toilettenangebot hat der Verein gleichzeitig die Hygieneauflagen umgesetzt. Außerdem hat er das Prinzip „gebraucht statt neu“ konsequent verfolgt, auch bei der Photovoltaikanlage. Dabei ist die Grundeinstellung eindeutig: „Ökolabel? Klar achten wir darauf!“


Komposttoilette des Galgenberg 2 e.V.
© Galgenberg 2 e.V.

Der Verein Kulturgut Freiland e.V. arbeitet nach dem Motto „möglichst viel selbst machen“ und hat auf mobile Lösungen gesetzt, die das Arbeiten im Freien möglich machen und an Dritte verliehen werden können. Investiert wurde in mobile Komposttoiletten, einen mobilen Garderobenwagen und einen Bürowagen. Es wurden Schraub- und Stecksysteme für den schnellen Auf- und Abbau verbaut.

Der Verein Meerkultur e.V. hat über eine stromgeführte Heizung nebst Speicher, die von einer Photovoltaikanlage gespeist werden, zusätzliche Räumlichkeiten für Besucher*innen erschlossen. Damit hat er gezeigt, dass man emissionsarm und platzsparend heizen kann. Ein bereits gedämmtes Gebäude führte zu einem geringen Wärmebedarf, der mit dieser Variante sogar in der lichtarmen Jahreszeit gedeckt werden soll.

Der Verein Zucker e.V. hat nach jahrelangen Zwischennutzungen endlich über einen langjährigen Pachtvertrag einen zentral gelegenen Hochbunker für die Bremer Kulturlandschaft erschlossen. Die Fördermittel von NEUSTART KULTUR setzte er für die Kofinanzierung einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ein, die die Hygieneauflagen erfüllt.


Photovoltaikanlage auf dem Atelierdach des Meerkultur e.V.
© Meerkultur e.V.

Nachhaltigkeitsprinzipien

Die Beispiele zeigen, dass es gelingen kann, bei Investitionen ganzheitlich zu agieren. So vereint die barrierearme Komposttoilette alle Kriterien einer nachhaltigen Investition: Sie wurde weitestgehend aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut, funktioniert ohne Wasser und amortisiert sich damit vergleichsweise schnell. Langfristig führt diese Investition zu geringeren Verbrauchskosten als ein mit Wasser betriebenes WC. Die Berücksichtigung der Wärmerückgewinnung bei einer verpflichtend einzubauenden Lüftungsanlage ist zwar kostenintensiver, senkt jedoch dauerhaft die Kosten für Heizung und Warmwasser. Die Beschaffung gebrauchter Dinge spart Ressourcen und ist mit geringeren Kosten für die Anschaffung verbunden.

Allen Beispielen ist gemein, dass die Einrichtungen die Investitionen entlang eigener Nachhaltigkeitsprinzipien geplant haben: teilen statt besitzen, gebraucht statt neu, möglichst regional, mobil und flexibel, so emissionsarm wie möglich. Dass das Programm NEUSTART KULTUR dies zuließ, empfanden alle als motivierend und bereichernd.

Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit

Die Arbeit der Förderreferent*innen bezeichneten alle als unterstützend und hilfreich. Es überwog das Gefühl, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Dinge zu ermöglichen. „Wir haben uns wertvoll gefühlt“, sagen Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland. Gleichzeitig sagen sie, dass manchmal noch eine Hemmschwelle bestehe, die Förderreferent*innen bei Fragen zu kontaktieren. Sie seien zu Beginn unsicher gewesen, inwiefern Fragen negativ ausgelegt werden könnten. Insgesamt waren jedoch alle Befragten sehr zufrieden mit der Unterstützung und Beratung durch die Förderreferent*innen. Gleichzeitig waren die formalen Abläufe von Antragstellung bis zum Verwendungsnachweis für ehrenamtlich geführte Einrichtungen nicht immer leicht nachzuvollziehen. Gerade bei Investitionen sei es hilfreich, wenn der Auszahlungsplan nicht vom Programm vorgegeben wird, sondern sich stärker an den Zahlungsanforderungen der durch die Investitionen initiierten Prozesse orientiert.


Photovoltaikanlage des Galgenberg 2 e.V.
© Galgenberg 2 e.V.

Nutzen und Herausforderungen des Förderprogramms

„Dass Investitionen im Kulturbereich gefördert wurden, kam zur richtigen Zeit“, sagt Ida vom Verein Meerkultur. Das Programm reagierte auf die Notsituation, die durch die Pandemie erzeugt wurde, und fokussierte auf den Umbau kultureller Einrichtungen mit dem Ziel, den Publikumsbetrieb trotz Hygieneauflagen zu erhalten. Ein Mitglied des Aktionsteams des Vereines Galgenberg hebt die Flexibilität des Investitionsprogramms hervor. Die Investitionen haben über die Einhaltung von Hygieneauflagen hinaus einen zusätzlichen Nutzen geschaffen. Das Programm habe die Gelegenheit geboten, überhaupt in nachhaltige Sanitäreinrichtungen zu investieren. Das allein sei bereits ein Gewinn, meinen Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland. Für die Lüftungsanlage im Hochbunker war das Programm eine zwingend notwendige Investitionsergänzung. Ohne sie hätten die Lüftungsanlage nicht pandemiegerecht erneuert werden können. Die Kosten der Maßnahme überstiegen den Rahmen von NEUSTART KULTUR allerdings um ein Vielfaches, sagt Kriz vom Zucker e.V.

Die Umsetzung der Investitionsmaßnahmen verzögerten sich während der Pandemie aufgrund von Lieferengpässen und Personalknappheit mehr als üblich. Personal- und Materialkosten und -verfügbarkeit, die bei Antragsstellung recherchiert wurden, konnten sich bis zum Zeitpunkt der Durchführung stark verändert haben. Bei einigen Projekten führen veränderte Rahmenbedingungen zu teilweise mehr als 100 Prozent Mehrkosten. Die Folgen waren, dass bei vielen Einrichtungen, die über das Programm gefördert wurden, der Kostenrahmen angepasst werden musste. Teilweise mussten zusätzliche Mittel von anderen Stellen akquiriert werden. Solche Risiken sind generell schwer kalkulierbar, nicht nur bei Investitionen mit Nachhaltigkeitsbezug.

Das Ausmaß an Verzögerungen, Lieferengpässen und Kostensteigerungen, mit denen sich viele Einrichtungen bei der Umsetzung ihrer Investitionsprojekte konfrontiert sahen, war zu Beginn von NEUSTART KULTUR nicht absehbar und erforderte eine besondere Flexibilität in der Umsetzung des Programms. Durch Anpassungen konnten Fristen verlängert und Aufstockungen nachgereicht werden.


Innenraum des mobilen Garderobenwagens des Kulturgut Freiland e.V.
© Kulturgut Freiland e.V.

Weiterer Bedarf an Investitionsmitteln für Nachhaltigkeit

In den nächsten Jahren müssen viele Gebäude mit Kulturbetrieb energetisch saniert werden. Die meisten müssen ihre Heizung noch auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Hier ist es ratsam, Förderung, Beratung und konkrete Ausführungsplanung von Sanierungsmaßnahmen enger miteinander zu verzahnen, etwa in Bezug auf Prüf- und Bewilligungszeiträume und im Umgang mit Kostensteigerungen.

Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland würden gerne weitermachen: „Wir wollen in Nachhaltigkeit investieren und wünschen uns mehr Förderprogramme, die das möglich machen!“ Dass sich das lohnt, zeigten die Erfahrungen des Vereins Meerkultur bereits im ersten Winter: Dank neuer Heizung und eigener Energieerzeugung seien sie viel resilienter aufgestellt und kamen gut durch die Energiekrise. Entsprechend klar formuliert Ida vom Verein Meerkultur, was sie sich für die Zukunft wünscht: „Es sollte ein Investitionsprogramm aufgelegt werden, um die Umstellung auf erneuerbare Energien und die energetische Sanierung und Wärmedämmung von Gebäuden zu ermöglichen. Es ist wichtig, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken. Denn so senken wir auch die laufenden Kosten.“ Die Beispiele haben gezeigt, dass die Bereitschaft groß ist, sich mit nachhaltigen Investitionen zu befassen und die Mittel effizient und kreativ einzusetzen.

Heute findet die erste Ausschreibungsrunde von NEUSTART KULTUR beim Bundesverband Soziokultur ihren Abschluss. Damit unterstützte der Bundesverband 985 Vorhaben soziokultureller Initiativen und Zentren mit 39,4 Millionen Euro vom Rettungs- und Zukunftsprogramm der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Auch die Mittelverwendung der zweiten Ausschreibungsrunde mit 727 geförderten Vorhaben und einem weiteren Fördervolumen von 31,6 Millionen Euro endet heute.

Gesamtprojektleiter NEUSTART KULTUR Dr. Thomas Gaens: „Das Team hat in den vergangenen drei Jahren Enormes für die Soziokultur bewirkt. Es hat nicht nur die umfangreiche persönliche Beratung und Bearbeitung dieser hohen Anzahl geförderter Vorhaben geleistet, sondern auch die Aufstockungen und Laufzeitverlängerungen unter riesigem Einsatz gestemmt. Besonders wertvoll war auch die zusätzliche Vor-Ort-Beratung der soziokulturellen Landesverbände, die zum Erfolg der Umsetzung beigetragen hat.”

Der Bundesverband Soziokultur führt seit 2020 im Rahmen der NEUSTART KULTUR Förderung die beiden Programmlinien Zentren und Programm durch. Während bei Zentren die technische Ausstattung der Einrichtungen für Open-Airs, die IT-Infrastruktur, die Belüftung sowie pandemiebedingte Umbaumaßnahmen und direkte Maßnahmen zur Einhaltung der gesundheitspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung im Mittelpunkt stehen, fördert Programm die Entwicklung und Durchführung zukunftsweisender Programmarbeit.

Mit der ersten Ausschreibung förderte der Bundesverband im Bereich Zentren 537 Vorhaben mit 25,8 Millionen Euro, im Bereich Programm 448 Vorhaben mit 13,7 Millionen Euro. Der Eigenanteil, den die Einrichtungen in die Förderung einbrachten, liegt bei Zentren mit 3,1 Millionen Euro beziehungsweise 10,7 Prozent und bei Programm mit 2,4 Millionen Euro beziehungsweise 15 Prozent höher als die geforderten 10 Prozent Eigenanteil.

Der Bundesverband begleitet die NEUSTART KULTUR Förderung mit Beratungsangeboten, Austauschrunden und Video-Tutorials. Im Blog und auf Instagram wird die Wirkung der Förderung erlebbar. Einen bundesweiten Überblick über die geförderten Kultureinrichtungen bietet die Förderkarte. Weitere Zahlen sind in der Statistik auf der Website zu finden.

Das Zentralwerk im Dresdener Stadtteil Pieschen blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Derzeit erlebt der ehemalige Fabrikstandort eine Transformation zur Kulturfabrik. Der Ort verbindet Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur auf einem Gelände. Handwerker*innen, Kulturschaffende und Künstler*innen gestalten ihr Lebens- und Arbeitsumfeld gemeinsam. Förderreferentin Andrea hat das genossenschaftlich organisierte Projekt besucht.

Schon vom S-Bahnsteig aus sieht man den kompakten Gebäudekomplex vom Zentralwerk in Dresden Pieschen. Imposant und auch etwas einschüchternd stehen die zwischen 1939 und 1941 erbauten, als Hochbunker geplanten Türme rechts und links vom Hauptgebäude. Gegenüber steht das Gemeinschaftshaus mit dem Festsaal. Über einen großen Innenhof sind die vier Gebäude miteinander verbunden. Einst wurden hier Näh- und Schreibmaschinen produziert, bis der Gebäudekomplex im Zweiten Weltkrieg zur Rüstungsfabrik umgebaut wurde. Nach dem Krieg nutzten die Grafischen Großbetriebe Völkerfreundschaft die Gebäude bis 1991 als Druckerei. Danach lag der Standort überwiegend brach. Seit 2015 ist die gemeinnützige Stiftung trias Eigentümer des Geländes und überließ es in Erbbaurecht der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG. Zwei Drittel der ca. 5.300 qm großen Nutzfläche werden an Kulturakteur*innen  und Initiativen mit Bezug zu Kunst und Kultur vermietet, ein Drittel wird bewohnt. In der Kulturfabrik haben sich derzeit über 60 Künstler*innen, Initiativen und kleine Unternehmen eingemietet.
Als kultureller Arm der Kultur- und Wohngenossenschaft engagiert sich der Zentralwerk e.V. mit seiner Hauptwirkungsstätte im Gemeinschaftshaus des Zentralwerks unter dem Motto: Leben, wohnen, arbeiten. Der Verein setzt dabei auf Selbstorganisation, Vielfalt und Zivilgesellschaft mit dem Ziel, einen Freiraum für selbst gestaltetes Leben, Kultur und Kunstproduktion in Dresden zu schaffen. Gemeinnützig und nicht profitorientiert stellt das Zentralwerk Räume für Kunst und Kultur sowie bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung.

Erste Eindrücke mit Baustellenflair

NEUSTART KULTUR fördert den Zentralwerk e.V. und den farbwerk e.V., einer der Mieter*innen des Kulturzentrums. Für meinen Besuch habe ich mir deshalb vorgenommen, mit beiden Einrichtungen zu sprechen. Den Gebäudekomplex betrete ich an einem herrlichen Spätsommertag im September durch den Seiteneingang mit dem ehemaligen Pförtnerhäuschen. Dieses ist nun umfunktioniert zum „Späti“, um auch die Nachbarschaft in das Leben des Zentralwerks einzubinden. Der Innenhof gleicht zurzeit einer Großbaustelle, überall gibt es Sandberge, Rohre oder andere Baumaterialien, Menschen sehe ich erstmal nicht. Nach meiner Runde über den Hof erscheint Steffen Lewandowski, Verwaltungsleiter des farbwerk e.V., der mich herzlich begrüßt. Dazu kommen Jacqueline Hamann, künstlerische Leiterin des farbwerk e.V., Christian Palmizi, Geschäftsführer des Zentralwerk e.V. und Markus Prodehl, Vorstandsmitglied der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG und Architekt. Der Architekt, der mit ehrenamtlichem Einsatz unermüdlich die Bau- und Umbaumaßnahmen im Zentralwerk plant und managt.

Kulturförderung und Sanierung im Arbeiterviertel Pieschen

Das Zentralwerk hat sich vorgenommen, von den NEUSTART KULTUR Fördermitteln den Kleinen Saal im ersten Obergeschoss des Gemeinschaftshauses zu sanieren. Der große Saal im Erdgeschoss wurde bereits saniert und strahlt im neuen Glanz. Markus führt uns durch den kleinen Saal und erklärt die Umsetzung der Sanierung. Was jetzt noch fehlt, ist die Decke.

Die Sanierungsarbeiten im Kleinen Saal sind noch im Gange

Zwischendurch bleibt Zeit für einen Kaffee und ein Gespräch über das Zentralwerk. Dresden Pieschen ist ein Arbeiterviertel, in dem die große neue Kulturstätte skeptisch beäugt wird. Als zweitgrößtes Sanierungsgebiet Dresdens hat die Stadt die Mischnutzung des Geländes mit Mietpreisbindung und Ansiedlung der Künstler*innen unterstützt. 20 Wohnungen, zum Teil mit Atelier, sind vermietet.
„Die Immobilienmasse dem Markt zu entziehen und sie soziokulturellen Projekten zur Verfügung zu stellen“, war Ziel des Zentralwerk e.V., so Christian Palmizi.

2 Mitarbeiter der Fa. Krug, Steffen Lewandowski, Christian Palmizi, Jacqueline Hamann und Andrea Döteberg (v.l.n.r.) auf dem Gelände des Zentralwerk

Vereinsarbeit, Inklusion und Herausforderungen in der Pandemiezeit

Jacqueline und Steffen zeigen mir die Räume des farbwerk e.V. im Hauptgebäude: Zwei Probenräume und eine Masken- und Kostümwerkstatt. Der Kunst- und Kulturverein farbwerk e.V. für Künstler*innen mit und ohne Behinderung gründete sich im Jahr 2014 aus einer Dresdener Künstlerinitiative, um kulturelle Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderung im Bereich Kunst und Kultur und die Zusammenarbeit mit professionellen Künstler*innen zu fördern. Es bestehen vielfältige Kooperationen wie beispielsweise mit der Bürger:Bühne am Staatsschauspiel Dresden, dem Ensemble El Perro Andaluz, dem Projekttheater Dresden, dem Theater Projekt Zentrum Dresden, verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe wie etwa Werkstätten und Wohnheime, sowie diverse Netzwerke mit inklusiven Kultureinrichtungen und Künstler*innen in Deutschland.

Der farbwerk e.V. arbeitet hauptsächlich mit Jugendlichen und Erwachsenen mit körperlichen und geistigen Besonderheiten. Seit 2021 gibt es auch erste Angebote für Kinder. Aufgrund der Einschränkungen durch Corona konnten und wollten viele Menschen mit Behinderung nicht mehr an den Theaterprojekten teilnehmen. Die Organisation der Teilnahme war zu schwierig, da behinderte Erwachsene oft bei den Eltern leben, die entsprechend älter sind und durch die Pandemie in ihrer eigenen Bewegungsfreiheit beschränkt waren. Menschen mit Behinderung, die in Heimen untergebracht sind, durften die Unterkunft oft nicht verlassen oder nur unter strengen Auflagen wie den täglichen Coronatests. So wurde der Kontakt vor Ort zu den Akteur*innen und Künstler*innen des farbwerk e.V. und eine aktive gemeinsame künstlerische Praxis in Gruppen über lange Zeiträume unterbrochen und konnte nach der Wiederöffnung nicht im gewohnten Maß vollständig aufgebaut werden. Große Gruppen sind nach wie vor noch nicht planbar

Dennoch schaffte es der Verein mit sehr viel Engagement und Ideenreichtum seine Arbeit über unterschiedlichste Angebote von Kulturspaziergängen bis hin zu Kunstpaketen und Telefonstunden, Filmprojekten vor der Haustür und Online-Premieren sowie Formate in Kleinstgruppen weiterzuführen. Auch die bereits 2019 neu geplanten Musikformate und neuen Kursangebote konnten mit viel Kreativität und Erfindungsgeist trotz Corona starten. Aus Schnupperkursen wurden Fensterkonzerte vor Wohnheimen und für die geplanten Musikkurse wechselten die Wege ihre Richtung und führten die Musiker*innen zu den Teilnehmer*innen. Neben dem Theaterbereich hat sich trotz aller Schwierigkeiten die farbwerk-Band gegründet und jeden Dienstag probt ein inklusives, experimentelles Improvisationsorchester, dessen Teilnehmer*innen durch musikalische Einzelförderung begleitet werden. Mittwochs wird getanzt, genäht und DJ-Arbeit erprobt. Die Theaterarbeit baut nach und nach wieder größere Gruppen und seine neu entwickelten eins zu eins Tandem-Formate aus.

Ausblick

Um weiterhin Möglichkeiten für inklusive Begegnungen zu schaffen und den Mitarbeitenden und Besucher*innen möglichst sichere Bedingungen zu bieten, erweitert der farbwerk e.V. mit den NEUSTART KULTUR Fördermitteln seine Nutzungsfläche im Souterrain des Hauptgebäudes. Der große Probenraum wird mit einer mobilen Trennwand geteilt und erhält einen neuen pflegeleichten Tanzteppich. Außerdem entsteht ein benutzerfreundliches Foyer mit Wartebereich, in dem auch eine Indoor-Teststation untergebracht wird.

Im Mai 2022 erhielt der farbwerk e.V. den Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden 2022, herzlichen Glückwunsch!