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Krisen erfordern neue Wege. Beim vergangenen Schwarmwissen haben wir uns über die Strategien in der Krise ausgetauscht. Erfahre, wie Investitionen, Netzwerke und Teamgeist die Krisenfestigkeit soziokultureller Einrichtungen stärken können.

Wir leben in einem Zeitalter der Polykrise. Die Klimakatastrophe, die Pandemie, der Ukrainekrieg, die Flüchtlingskrise, der Energie-Notstand und die Demokratie-Krise sind nur einige Beispiele für die sich gegenseitig beeinflussenden Krisen, die wir erleben. In Zeiten der Krise kommt der Soziokultur eine besondere Rolle zu. Sie fördert den Austausch und die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung. Im Dialog mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen entstehen innovative Lösungsansätze, um den Herausforderungen zu begegnen. Durch kreative und partizipative Prozesse stärkt die Soziokultur das Gemeinschaftsgefühl und fördert die gesellschaftliche Resilienz.

Schwarmwissen: Strategien in der Krise

Um dieser gesellschaftlichen Verantwortung gerade in Krisenzeiten gerecht zu werden, sind die soziokulturellen Akteur*innen darauf angewiesen, neue Wege zu beschreiten. Dies erleben wir hautnah in der NEUSTART KULTUR Förderung. Das Schwarmwissen am 23. Mai 2023 widmete sich diesen neuen Wegen oder, etwas theoretischer ausgedrückt, den Strategien in der Krise.
Die Teilnehmer*innen waren wie üblich in ihrer Ausgangssituation vielfältig. Während ein Schwarmmitglied die nachhaltige Transformation als größte Herausforderung ansah, machten sich andere Sorgen über geringe Teilnehmer- und Vorverkaufszahlen.

Neue Wege

Neue Wege ist Henrike mit dem Literaturnetzwerk Oberschwaben gegangen. Durch die Pandemie-Förderung war es ihnen möglich, Lesungen an ungewöhnlichen Orten abzuhalten. In den Dörfern der Region besuchten sie Schulhöfe, Baustellen und Friseursalons. Viele neue Bekannte und viel Presse begleiteten die Projekte. Hohe Erwartungen wurden mit den geförderten Programmen geweckt. Auch für Henrike stellt sich nun die Frage, wie solche Projekte weiterfinanziert werden können.
Aufmerksamkeit erregten auch die Veranstaltungen von WARRIORS mit Kultur für Demokratie und Menschenrechte in Berlin, wie Werner dem Schwarm erzählt: „Mit der geförderten Technik können wir Veranstaltungen draußen durchführen und mehr Menschen erreichen. Unsere Workshops haben dadurch viel Zulauf bekommen.“
Die NEUSTART KULTUR Förderung des Bundesverbandes Soziokultur hat die Krisenfestigkeit der Szene gestärkt. Claudia hat als Projektleiterin des Programmbereichs Zentren 2 den besten Überblick über die getätigten Investitionen: „Die Investitionen, die durch das Förderprogramm möglich wurden, haben den Einrichtungen geholfen, sich weiterzuentwickeln.“ Aus Außenbereichen, die vorher nicht genutzt wurden, sind attraktive Kulturorte entstanden. Belüftungsanlagen, neue sanitäre Anlagen und Technik in allen Bereichen sind ein qualitativer Entwicklungssprung für die geförderten Kultureinrichtungen. Die Krise als Chance.

Krisenfest

Wie können wir krisenfester werden? Diese Frage war bereits Gegenstand des Schwarmwissens im vergangenen Herbst, bei dem Thomas von der STRAZE in Greifswald ebenfalls teilgenommen hatte. Er berichtete dem Schwarm von den Ergebnissen des vorherigen Treffens. Für ihn ist es entscheidend, dass die Einrichtungen, Besucher*innen und die Politik gemeinsam agieren, um Krisen zu bewältigen. Einrichtungen sollten flexibel auf die Situation und die Bedürfnisse der Besucher*innen reagieren können. Netzwerke und der Austausch von Informationen und Ressourcen stärken die Einrichtungen und helfen dabei, gemeinsam Herausforderungen zu meistern. Ein finanzieller Rückhalt ist selbstverständlich unverzichtbar. Die Partizipation der Besucherinnen ist laut Thomas ein weiterer wichtiger Aspekt der Krisenfestigkeit. Durch eine größere Beteiligung und mehr Gesprächsangebote können sie Interesse an der Einrichtung entwickeln und sich für diese engagieren. Es ist auch wichtig, dass die Politik die gesellschaftliche Bedeutung der soziokulturellen Praxis weiterhin anerkennt. Ihre ideelle und finanzielle Unterstützung gibt den Akteur*innen Sicherheit in schwierigen Zeiten. Etablierte Netzwerke sind auch hier eine wertvolle Unterstützung.

Netzwerke

Die Krisenfestigkeit der soziokulturellen Zentren hängt nicht nur von ihrer individuellen Stärke ab, sondern auch von der Solidarität und Unterstützung innerhalb des Netzwerks. Durch den Austausch von Erfahrungen, Ideen und Ressourcen können sie voneinander lernen und gemeinsam gestärkt aus Krisen hervorgehen.
Netzwerke – zu finanziellen oder ideellen Zwecken – sind überlebenswichtig, darin waren sich die Mitglieder des Schwarms einig. In der Pandemie konnte auf bestehende Netzwerke zurückgegriffen werden, aber auch neue wurden etabliert, wie Werner berichtet: „Im Vernetzen sind wir einfach gut geworden.“ Insbesondere die Partnerschaften für Demokratie des Bundesprogramms Demokratie leben! haben dabei unterstützt. Auch Festivalveranstalter*innen erhalten nun Unterstützung von dem neuen Netzwerk Höme, von dessen Nutzen Silvan vom Auerworld Festival überzeugt ist. Thomas nutzt bei seiner Arbeit kommunale und landesweite Netzwerke und empfiehlt das vom Bundesministerium des Innern geförderte Projekt House of Resources, das Vereine, Initiativen und Migrant*innen-Organisationen in den Bereichen Empowerment, Diversity, Integration und Anti-Rassismus-Arbeit unterstützt. In Oldenburg hat ein Netzwerk der Freien Szene ein Positionspapier zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet und der Stadt vorgelegt, wie Nicola von der Werkschule erwähnt.

Gemeinsam stark

Bei all den vergangenen und kommenden Herausforderungen ist es entscheidend, dass die soziokulturellen Akteur*innen selbst ihren Antrieb nicht verlieren.„Wir haben ein Wohlfühlwochenende organisiert, bei dem es vordergründig nicht um die Arbeit ging. Das hat uns wieder neue Energie gegeben“, erzählt Silvan und Tahlja von Kloster 9 e.V. fügt hinzu: „Wir haben ein Wochenende mit einer theaterpädagogischen Begleitung verbracht, einfach um wieder zusammenzukommen.“ Denn ein motiviertes Team ist das Fundament aller neuen Wege, die beschritten werden.

Am Ende ist eines ist klar: Krisenfest sind wir nur gemeinsam.

Auch ein Toilettengang kann nachhaltig sein! Mit einer Trockentoilette wird nicht nur jede Menge Wasser gespart, sie kommt auch völlig ohne Chemie aus und die Überreste können mit Hilfe von Sägespänen zum Kompostieren verwendet werden. Der GutAlaune e.V. bei Petersberg in Sachsen-Anhalt hat eine solche Trockentoilette neu herrichten lassen, um – gemeinsam mit der ebenfalls von uns geförderten Draußenküche – weiterhin kreative Projekte unter dem Motto „FreiRaum an FreiLuft!“ stattfinden zu lassen.

Vor sieben Jahren hat der gemeinnützige Verein begonnen eine Freifläche in einem Landschaftsschutzgebiet herzurichten und sie nachhaltig und kreativ zu nutzen. Mit Fokus auf Naturschutz und Landschaftspflege, sowie auf Kunst und Kultur finden hier sozial-ökologische Projekte statt und wird ein Raum für Austausch und kulturelle Teilhabe hergestellt.

Der inklusive und offene Projektort bietet Werkstätten, einen Gemeinschaftsgarten, Repair-Cafés, Nachbarschaftstreffen, Gesangs- oder Akrobatikkurse, Festivals oder Seminare zur nachhaltigen Selbstorganisation. Dabei arbeiten Kulturschaffende und Akteur*innen aus Ökologie und Sozialwesen zusammen und richten ihre Angebote vor allem an junge Menschen aus der Region, Menschen mit niedrigem Einkommen und Geflüchtete.

Auf dem Gut Alaune wird stetig renoviert, gegärtnert, geforscht und gebastelt – und Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht!

Wickelfalzrohre, Luftreiniger und Tontechniker*innen – unsere Förderung ist so bunt, wie die Soziokultur selbst. Unsere Geförderten haben in den vergangenen Pandemie-Jahren angepackt und mit unserer Unterstützung den Neustart möglich gemacht. Mit Kreativität gestalten sie die Zukunft der Soziokultur. Gemeinsam und im Austausch können so auch kommende Krisen bewältigt werden.

Das Team von NEUSTART KULTUR beim Bundesverband Soziokultur wünscht euch Zuversicht, Gesundheit und Frieden für 2023. Wir freuen uns darauf, euch auch im vierten Jahr unserer Förderung interessante Menschen, Geschichten und Ideen rund um unsere Förderung zu präsentieren.

Seit sieben Jahren veranstaltet der Bremer Verein KulturKraken den Wintermarkt „Lichter der Neustadt“. Förderreferentin Pia hat den Markt – der eigentlich ein Festival ist – besucht und sich von Vereinsmitglied Victor Frei die Neuerungen, die mithilfe der NEUSTART KULTUR-Mittel möglich waren, zeigen lassen.

Der Mond leuchtet hell über dem kleinen Park der Wallanlagen in der Bremer Neustadt. Einmal kurz über den Hügel, am weihnachtlich geschmückten Südbad vorbei, sehe ich sie schon von weitem: hochgewachsene, hell erleuchtete, elfengleiche Fabelwesen. Die wunderschönen, in weiß gekleideten und mit Lichterketten geschmückten Kreaturen locken, auf ihren Stelzen balancierend, Vorbeigehende zum Eintritt in den Wintermarkt Lichter der Neustadt.

Leuchtende Fabelwesen auf Stelzen locken die Besucher*innen

Eine Gold werte Förderung in Pandemiezeiten

Die Lichter der Neustadt werden nun seit sieben Jahren vom Verein KulturKraken veranstaltet. Zehn bis 14 hauptsächlich ehrenamtliche Kulturliebhaber*innen stellen hier für zwei Wochen lang ein tolles Programm auf die Beine. Victor Frei, erster Vorsitzender des Vereins, empfängt mich zu einer kleinen Tour am liebevoll mit Lichterketten und Holzschnitzereien verzierten Haupteingang des Marktes. Ich freue mich, die bewilligten Investitionen – von Holzzäunen, über Flammenprojektoren bis hin zu Licht- und Bühnentechnik – jetzt am Ort ihrer Bestimmung im Einsatz zu erleben.

„Also für uns war die NEUSTART KULTUR-Förderung wirklich Gold wert. Ohne hätten wir das alles in dem Maße gar nicht machen können“, erzählt Victor. Er berichtet von den Anfängen des Marktes vor sieben Jahren an der Wilhelm-Kaisen-Brücke, auf einem kleinen Platz vor dem PAPP-Café. Unter Coronaauflagen wäre der Markt, der sich immer größerer Beliebtheit erfreut hat, dort nicht möglich gewesen. Ein Umzug war also notwendig und nach lokaler Recherche wurde schließlich die Fläche vor dem Südbad gefunden.

Unter Einhaltung von Grünflächenschutzmaßnahmen darf der Markt hier nun seit zwei Jahren stattfinden. „Im letzten Jahr hatten wir hier noch lange Schlangen vorm Eingang, wegen der Einlassbeschränkungen. Aber dadurch wissen wir jetzt immerhin, wie viele Gäste wir hatten, das waren 15.000!“, berichtet Victor stolz. Die Förderung kam außerdem zum richtigen Zeitpunkt, ergänzt er. „Das Holz, das wir für die Umzäunung im letzten Jahr gekauft haben, hätten wir uns in diesem Jahr gar nicht mehr leisten können, wegen der gestiegenen Preise.“

Victor Frei von den KulturKraken

Kleine winterliche Alltagsflucht für Alle

Wir schlendern über den Markt, vorbei an bunten Buden und in Regenbogenfarben angestrahlten Bäumen. Hoch oben funkeln Diskokugeln und legen einen Zauber über die fröhlichen Gesichter der Besucher*innen. Mit den Lichtern der Neustadt wollen die KulturKraken ein kostenloses winterliches Kulturprogramm für alle anbieten. Der Markt soll eine Alternative zu kommerziellen Weihnachtsmärkten sein und ist bewusst nicht religiös. Victor erzählt, dass sie sich mittlerweile mehr als Festival verstehen: „Das ist hier ein Ort, um einfach mal ein bis zwei Stunden oder mehr dem Alltag zu entfliehen.“ Deswegen haben sich die KulturKraken auch dazu entschieden, den Holzzaun, der das Gelände einrahmt, trotz weggefallener Besucher*innenbeschränkungen stehen zu lassen. „Dieser Zaun macht hier so eine schöne Dorfatmosphäre.“

Im Festival-Dorf wird den Besucher*innen von 16 bis 22 Uhr einiges geboten: In selbstgezimmerten und individuell gestalteten Verkaufsständen laden lokale Kleinunternehmer*innen und Privatpersonen zum Stöbern ein. Heute gibt es hausgemachte Marmeladen und Kekse, selbstgenähte Bauchtaschen, künstlerisch-gestaltete Kalender und Poster sowie Schmuck und Gebasteltes. „Die Stände wechseln jeden Tag, so lohnt es sich auch mehrfach vorbeizukommen“, freut sich Victor. An Glühwein und Getränken, Burgern und balinesischem Essen fehlt es ebenso nicht.

Das Kulturprogramm lockt täglich mit einer Live-Band, mit Straßentheater, Artistik oder Zauberei. „Bei der Abschlussveranstaltung wird hier eine Artistin oben in den bunt beleuchteten Bäumen Akrobatik machen“, erzählt Victor. „Natürlich nur ein paar Minuten, wegen der Kälte. Aber das ist trotzdem immer toll.“ Auch die Bands spielen maximal 45 Minuten, damit die Finger der Gitarrist*innen nicht einfrieren.

Frierende Gäste können sich in der Jurte am Kamin aufwärmen. Und wer noch mehr Wärme braucht, für den gibt es sogar eine kleine Sauna, in die drei bis vier Menschen passen. „Die funktioniert auch echt gut. Manche Leute kommen schon im Bademantel her“, schmunzelt Victor.

Der Haupteingang des Wintermarkts Lichter der Neustadt

Licht und Leute

Das Lichtkonzept entwickeln Mitglieder des Vereins. Im Laufe der Jahre haben Victor und die KulturKraken einiges dazugelernt: „Am Anfang haben wir wild irgendwelche Lampen gekauft, so dass es gemütlich aussieht. Die haben wir dann eingelagert und im nächsten Jahr waren sie kaputt.“ Mittlerweile geht das ganze nachhaltiger zu. Sie wissen nun, welche Lampen der Witterung im Winter standhalten und danach auch noch einsatzfähig sind. Mithilfe der NEUSTART KULTUR-Mittel waren solche Lampen erschwinglich.

Leider findet der Markt nicht bei allen positiven Zuspruch. Es hat sich eine Anwohner*inneninitiative aus sieben Ehepaaren gegründet, die sich regelmäßig gegen die Lautstärke beschweren. „Dabei sind wir ja durchaus kooperationsbereit“, erklärt Victor. „Zum Beispiel ist hier direkt gegenüber eine Praxis für Psychotherapie, in der bis 20 Uhr abends gearbeitet wird. Das ist uns so wichtig, dass die ihre sensible Arbeit machen können, dass wir dann eben erst um 20 Uhr mit der Live-Musik starten.“

Auf dem Markt wird es derweil immer voller. Die leuchtenden Elfen auf Stelzen mischen sich in die Menge und begeistern nicht nur die Kinder. Gleich findet noch ein Hip-Hop-Konzert statt.
Die KulturKraken haben hier wirklich eine tolle, farbenfrohe Möglichkeit geschaffen, dem grauen Winteralltag zu entkommen. Die Lichter der Neustadt finden noch bis zum 20. Dezember statt.

Geförderte Projektakteur*innen im Bereich Programm 2 können ihren Verwendungsnachweis über unser Förderportal einreichen.

Um die Arbeit im Rahmen der Einreichung des Verwendungsnachweises zu vereinfachen, haben wir ein Video-Tutorial erstellt. Darin zeigen wir Schritt für Schritt, wie der Verwendungsnachweis über das Antragsportal erstellt werden kann und erläutern wichtige Informationen und Hinweise zur Eingabe und Einreichung des Nachweises.

Das Tutorial zum Einreichen des Verwendungsnachweises (Link zu YouTube) ist in 4 Kapitel unterteilt, die separat angewählt werden können:

Bei Fragen zum individuellen Fall, bitte an den*die zuständige(n) Förderreferent*in wenden.

Transkript

Die verschriftlichte Fassung des Tutorials ist hier als PDF herunterzuladen.


Ergänzende Informationen:

 

 

 

 

Was ihr beim letzten Mittelabruf zu beachten habt, erklärt euch Anna in Folge 13 unseres Förder-ABCs.

Übernachten im Heu, Pferde und gemeinsames künstlerisches Schaffen. Für 35 junge Menschen bereitete das Kultur- und Theaterensemble Stage Divers(e) e.V. mit der NEUSTART KULUR Förderung eine unvergessliche Ferienfreizeit auf der Schwäbischen Alb. Ein Gastbeitrag der künstlerischen Leiterin Babette Ulmer.

Der Esslinger Verein Stage Divers(e) Forum für JugendTheaterKultur e.V. ist eine ehrenamtlich organisierte Plattform für junge Menschen, die künstlerisch tätig werden wollen. Wir arbeiten interdisziplinär und transkulturell, schließen Bewegung und Sport ebenso ein wie Musik und bildende Kunst. Wir haben kein eigenes Haus, sind jedoch fest eingebettet in örtliche und bundesweite Netzwerke der Kultur- und Jugendarbeit. Stage Divers(e) e.V. finanziert sich ausschließlich aus Projektmitteln. Wir bemühen uns sehr darum, junge Menschen aus prekären Situationen zu erreichen. Mit unseren internationalen Workshopleiter*innen finden wir viele neue Wege, um junge Menschen aus aller Welt in das gemeinsame künstlerische Experimentieren zu inkludieren. Unser Arbeitsprinzip ist einfach: jede*r die*der etwas kann, bringt es den anderen bei. Auf dieses Weise entstehen unsere künstlerischen Ergebnisse immer auf der Grundlage der gelebten Alltagswelt aller Mitwirkenden und den vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Das Projekt „Zauberhafte Pferdebande“: ein Bauernhof als soziokultureller Ort

Um unerwartete Anreize zur gemeinsamen künstlerischen Arbeit für Kinder und Jugendliche zu bieten, setzen wir sechs besonders ausgebildete Pferde ein. Auf dem landwirtschaftliche Betrieb Hofgut Uhenfels auf der Schwäbischen Alb gestalteten wir im August das einwöchige Projekt Zauberhafte Pferdebande mit jungen Menschen von 10 – 17 Jahren. Eigentlich ist dieser Hof kein klassischer Ort der Kulturproduktion. Für diese Woche wurde jedoch der reguläre Betrieb zugunsten der gemeinsamen künstlerisch-kulturellen Aktivitäten eingestellt. Der Kuhstall verwandelte sich zum Übernachtungs-Heulager. Zwei kleine Ferienwohnungen wurden zu Büro und Notfallstation. Die Festscheune des Hofes wurde zum Zentrum der umfangreichen Angebote, die sich über das gesamte Gelände des Anwesens zogen. Gleichzeitig diente sie, mit Küche und selbst gekochtem Essen, als Speiseraum und Treffpunkt für das Beisammensein mit Tanz und Teamspielen.

Auf der Pferdewanderung durch die Schwäbische Alb

© Stage Divers(e) e.V.

Workshops und Highlights

Unsere 35 Teilnehmer*innen durchliefen fünf Workshops mit qualifizierten Honorarkräften: Filmemachen, Bühnenkampf, Zirkus und Theater sowie Landwirtschaft und Kommunikationsarbeit mit den Pferden. Hierfür waren individuelle Stundenpläne in einem ausgefeilten Ablaufplan notwendig. Am Ende der Freizeit standen drei Highlights: die erste Uhenfels Fight night, eine Bühnenkampfshow in einem improvisierten Kampfring mit entsprechenden Zweikampf-Choreografien, Ringrichtern und Einlaufmusik. Zum zweiten wurden die in der Woche selbst gedrehte Filme gezeigt, deren Genres sich von Crimestories über Fantasy- und Horrorgeschichten über Familienfilme und Tierabenteuergeschichten erstreckten. Eigentlich stand auf dem Plan noch eine luftakrobatische Stuntshow mit Pferd – aber leider war dafür die Woche zu kurz. Stattdessen unternahmen alle zusammen mit den Pferden eine Wanderung, um Natur und Landschaft in Ruhe gemeinsam zu genießen. Zwischen den fünf Workshops gab es die Woche über viele Zeitfenster, in welchem Schmuck hergestellt oder einfach nur geredet wurde. Eine tägliche halbe Stunde spontane „Speedkunst“ gab Raum für die Entstehung flüchtiger Kunstwerke aus Naturmaterialien. Die ganze Zeit über war es möglich, mit Schminke das eigene Erscheinungsbild für die geplanten Highlights selbst auszuprobieren und die Rollen damit zu entwickeln.

Schmuck basteln

© Stage Divers(e) e.V.

Der Alltag

Mit dem gemeinsamen Fitness-Groove begannen die Tage noch vor dem Frühstück. Es wurden drei Gruppen gebildet, die täglich wechselten: Küchendienst, Reinigungs- und Mülldienst sowie Büro- und interner Pressedienst. Letztgenannter sammelte Informationen über besondere Abenteuer des Tages und stellte sie beim abendlichen stündlichen Uhenfels-TV mit Improtheater dar. Auch moderierte diese Gruppe jeweils die täglichen Feedbackrunden, die sich aus den „Mir stinkts“, „Ich bin glücklich“ und Ideenwänden speiste. Das für die Freizeit erstellte Jugendschutzkonzept half dem Betreuungsteam, bei der Vielzahl an Aktivitäten das Wohl der Teilnehmenden nicht aus dem Auge zu verlieren. Ein Krankenpfleger und eine Sozialpädagogin begleiteten stets das oft wilde Spiel und achteten auf seelische und körperliche Gesundheit. Mit der abendlichen Vorleserunde zum Einschlafen neigte sich dann jeder aufregende Tag einem glücklichen Ende.

Übernachtungslager im Heu

© Stage Divers(e) e.V.

Fazit

Im Projekt Zauberhafte Pferdebande widmeten wir alle Aktivitäten dem Empowerment. Es ging uns darum, dass alle spielerisch in ihrem Standing gefördert werden sollten. Da der Team-Prozess sowohl bei den unterschiedlichen Workshops als auch im Alltag im Vordergrund stand, war genügend Raum und Flexibilität zur aktuellen Anpassung an Wünsche, Kritik oder neue Ideen. Dass ausnahmslos alle Teilnehmer*innen und auch das Betreuungsteam das Projekt im kommenden Jahr fortsetzen wollen, macht uns sehr glücklich.

Ihr könnt euch alle bisher veröffentlichten Videos gesammelt in unserer Mediathek anschauen. Hier findet ihr alle Folgen des Förder-ABC mit hilfreichen Hinweisen zur Förderung und die ebenso hilfreichen Tutorials zum Einreichen des Verwendungsnachweises.

Das Zentralwerk im Dresdener Stadtteil Pieschen blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Derzeit erlebt der ehemalige Fabrikstandort eine Transformation zur Kulturfabrik. Der Ort verbindet Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur auf einem Gelände. Handwerker*innen, Kulturschaffende und Künstler*innen gestalten ihr Lebens- und Arbeitsumfeld gemeinsam. Förderreferentin Andrea hat das genossenschaftlich organisierte Projekt besucht.

Schon vom S-Bahnsteig aus sieht man den kompakten Gebäudekomplex vom Zentralwerk in Dresden Pieschen. Imposant und auch etwas einschüchternd stehen die zwischen 1939 und 1941 erbauten, als Hochbunker geplanten Türme rechts und links vom Hauptgebäude. Gegenüber steht das Gemeinschaftshaus mit dem Festsaal. Über einen großen Innenhof sind die vier Gebäude miteinander verbunden. Einst wurden hier Näh- und Schreibmaschinen produziert, bis der Gebäudekomplex im Zweiten Weltkrieg zur Rüstungsfabrik umgebaut wurde. Nach dem Krieg nutzten die Grafischen Großbetriebe Völkerfreundschaft die Gebäude bis 1991 als Druckerei. Danach lag der Standort überwiegend brach. Seit 2015 ist die gemeinnützige Stiftung trias Eigentümer des Geländes und überließ es in Erbbaurecht der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG. Zwei Drittel der ca. 5.300 qm großen Nutzfläche werden an Kulturakteur*innen  und Initiativen mit Bezug zu Kunst und Kultur vermietet, ein Drittel wird bewohnt. In der Kulturfabrik haben sich derzeit über 60 Künstler*innen, Initiativen und kleine Unternehmen eingemietet.
Als kultureller Arm der Kultur- und Wohngenossenschaft engagiert sich der Zentralwerk e.V. mit seiner Hauptwirkungsstätte im Gemeinschaftshaus des Zentralwerks unter dem Motto: Leben, wohnen, arbeiten. Der Verein setzt dabei auf Selbstorganisation, Vielfalt und Zivilgesellschaft mit dem Ziel, einen Freiraum für selbst gestaltetes Leben, Kultur und Kunstproduktion in Dresden zu schaffen. Gemeinnützig und nicht profitorientiert stellt das Zentralwerk Räume für Kunst und Kultur sowie bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung.

Erste Eindrücke mit Baustellenflair

NEUSTART KULTUR fördert den Zentralwerk e.V. und den farbwerk e.V., einer der Mieter*innen des Kulturzentrums. Für meinen Besuch habe ich mir deshalb vorgenommen, mit beiden Einrichtungen zu sprechen. Den Gebäudekomplex betrete ich an einem herrlichen Spätsommertag im September durch den Seiteneingang mit dem ehemaligen Pförtnerhäuschen. Dieses ist nun umfunktioniert zum „Späti“, um auch die Nachbarschaft in das Leben des Zentralwerks einzubinden. Der Innenhof gleicht zurzeit einer Großbaustelle, überall gibt es Sandberge, Rohre oder andere Baumaterialien, Menschen sehe ich erstmal nicht. Nach meiner Runde über den Hof erscheint Steffen Lewandowski, Verwaltungsleiter des farbwerk e.V., der mich herzlich begrüßt. Dazu kommen Jacqueline Hamann, künstlerische Leiterin des farbwerk e.V., Christian Palmizi, Geschäftsführer des Zentralwerk e.V. und Markus Prodehl, Vorstandsmitglied der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG und Architekt. Der Architekt, der mit ehrenamtlichem Einsatz unermüdlich die Bau- und Umbaumaßnahmen im Zentralwerk plant und managt.

Kulturförderung und Sanierung im Arbeiterviertel Pieschen

Das Zentralwerk hat sich vorgenommen, von den NEUSTART KULTUR Fördermitteln den Kleinen Saal im ersten Obergeschoss des Gemeinschaftshauses zu sanieren. Der große Saal im Erdgeschoss wurde bereits saniert und strahlt im neuen Glanz. Markus führt uns durch den kleinen Saal und erklärt die Umsetzung der Sanierung. Was jetzt noch fehlt, ist die Decke.

Die Sanierungsarbeiten im Kleinen Saal sind noch im Gange

Zwischendurch bleibt Zeit für einen Kaffee und ein Gespräch über das Zentralwerk. Dresden Pieschen ist ein Arbeiterviertel, in dem die große neue Kulturstätte skeptisch beäugt wird. Als zweitgrößtes Sanierungsgebiet Dresdens hat die Stadt die Mischnutzung des Geländes mit Mietpreisbindung und Ansiedlung der Künstler*innen unterstützt. 20 Wohnungen, zum Teil mit Atelier, sind vermietet.
„Die Immobilienmasse dem Markt zu entziehen und sie soziokulturellen Projekten zur Verfügung zu stellen“, war Ziel des Zentralwerk e.V., so Christian Palmizi.

2 Mitarbeiter der Fa. Krug, Steffen Lewandowski, Christian Palmizi, Jacqueline Hamann und Andrea Döteberg (v.l.n.r.) auf dem Gelände des Zentralwerk

Vereinsarbeit, Inklusion und Herausforderungen in der Pandemiezeit

Jacqueline und Steffen zeigen mir die Räume des farbwerk e.V. im Hauptgebäude: Zwei Probenräume und eine Masken- und Kostümwerkstatt. Der Kunst- und Kulturverein farbwerk e.V. für Künstler*innen mit und ohne Behinderung gründete sich im Jahr 2014 aus einer Dresdener Künstlerinitiative, um kulturelle Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderung im Bereich Kunst und Kultur und die Zusammenarbeit mit professionellen Künstler*innen zu fördern. Es bestehen vielfältige Kooperationen wie beispielsweise mit der Bürger:Bühne am Staatsschauspiel Dresden, dem Ensemble El Perro Andaluz, dem Projekttheater Dresden, dem Theater Projekt Zentrum Dresden, verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe wie etwa Werkstätten und Wohnheime, sowie diverse Netzwerke mit inklusiven Kultureinrichtungen und Künstler*innen in Deutschland.

Der farbwerk e.V. arbeitet hauptsächlich mit Jugendlichen und Erwachsenen mit körperlichen und geistigen Besonderheiten. Seit 2021 gibt es auch erste Angebote für Kinder. Aufgrund der Einschränkungen durch Corona konnten und wollten viele Menschen mit Behinderung nicht mehr an den Theaterprojekten teilnehmen. Die Organisation der Teilnahme war zu schwierig, da behinderte Erwachsene oft bei den Eltern leben, die entsprechend älter sind und durch die Pandemie in ihrer eigenen Bewegungsfreiheit beschränkt waren. Menschen mit Behinderung, die in Heimen untergebracht sind, durften die Unterkunft oft nicht verlassen oder nur unter strengen Auflagen wie den täglichen Coronatests. So wurde der Kontakt vor Ort zu den Akteur*innen und Künstler*innen des farbwerk e.V. und eine aktive gemeinsame künstlerische Praxis in Gruppen über lange Zeiträume unterbrochen und konnte nach der Wiederöffnung nicht im gewohnten Maß vollständig aufgebaut werden. Große Gruppen sind nach wie vor noch nicht planbar

Dennoch schaffte es der Verein mit sehr viel Engagement und Ideenreichtum seine Arbeit über unterschiedlichste Angebote von Kulturspaziergängen bis hin zu Kunstpaketen und Telefonstunden, Filmprojekten vor der Haustür und Online-Premieren sowie Formate in Kleinstgruppen weiterzuführen. Auch die bereits 2019 neu geplanten Musikformate und neuen Kursangebote konnten mit viel Kreativität und Erfindungsgeist trotz Corona starten. Aus Schnupperkursen wurden Fensterkonzerte vor Wohnheimen und für die geplanten Musikkurse wechselten die Wege ihre Richtung und führten die Musiker*innen zu den Teilnehmer*innen. Neben dem Theaterbereich hat sich trotz aller Schwierigkeiten die farbwerk-Band gegründet und jeden Dienstag probt ein inklusives, experimentelles Improvisationsorchester, dessen Teilnehmer*innen durch musikalische Einzelförderung begleitet werden. Mittwochs wird getanzt, genäht und DJ-Arbeit erprobt. Die Theaterarbeit baut nach und nach wieder größere Gruppen und seine neu entwickelten eins zu eins Tandem-Formate aus.

Ausblick

Um weiterhin Möglichkeiten für inklusive Begegnungen zu schaffen und den Mitarbeitenden und Besucher*innen möglichst sichere Bedingungen zu bieten, erweitert der farbwerk e.V. mit den NEUSTART KULTUR Fördermitteln seine Nutzungsfläche im Souterrain des Hauptgebäudes. Der große Probenraum wird mit einer mobilen Trennwand geteilt und erhält einen neuen pflegeleichten Tanzteppich. Außerdem entsteht ein benutzerfreundliches Foyer mit Wartebereich, in dem auch eine Indoor-Teststation untergebracht wird.

Im Mai 2022 erhielt der farbwerk e.V. den Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden 2022, herzlichen Glückwunsch!

Im ehemaligen Bahnhofsgebäude von Leisnig entsteht nach den Plänen von vier jungen Musiker*innen ein Ort des kulturellen Austauschs und der Begegnung, der Musik und Kreativität. Ein Beitrag über die Wiederbelebung von Kultur und deren konnektiver Funktion in strukturschwachen Regionen. Förderreferent Felix Künzel war vor Ort und hat sich umgesehen.

Malerisch liegt der Bahnhof von Leisnig eingebettet im Tal der Freiberger Mulde. Eine einzelne Dame wartet auf den baldigen Regionalzug nach Leipzig, während die untergehende Sonne den Bahnhof und die Burg Mildenstein in ein gemütliches Licht tauchen und aus dem Bahnhofsgarten beschwingte Jazzmelodien zu hören sind. Das Bahnhofsgebäude selbst, ein repräsentativer neuklassizistischer Bau, hat den Zenit seiner Bedeutsamkeit seit etlichen Jahren überschritten und wurde weitgehend dem Verfall preisgegeben. Doch dies soll nicht so bleiben. Eine Reinkarnation soll das Bahnhofsgebäude von Leisnig erfahren, jedoch nicht als Verkehrsknotenpunkt in Mittelsachsen, sondern vielmehr als Kulturbahnhof. Und die manchmal melancholischen, meist munteren Melodien der jungen Jazz- und Folkmusiker*innen an diesem Abend sind bereits ein deutliches Signal dafür.

Alireza Rismanchian ist einer der vier jungen Menschen, die sich dieses Projekt vorgenommen haben. Er selbst ist Architekt und, ebenso wie seine Partner*innen, Musiker. Über die Musik haben die Gründer*innen zusammengefunden und einen Ort für Musik wollten sie schaffen. Zunächst sollte es ein Dreiseitenhof werden, die anfängliche Skepsis gegenüber einem alten Bahnhofsgebäude wurde jedoch beim ersten Besuch in Leisnig schnell zu Gunsten der Visionen und Ideen an diesem Ort ausgeräumt. „Eine perfekte Schnittstelle zwischen unserem internationalen Netzwerk und der Stadt“ nennt Alireza Rismanchian den Kulturbahnhof. Man sei symbolisch wie auch tatsächlich die Haltestelle in der Stadt, ein neutraler und offener Ort der Begegnung.

Der Kulturbahnhof von innen – im Hintergrund die Gleise

Konzerte statt Warten auf den nächsten Zug

An diesem lauen Sommerabend sind es knapp zwei Dutzend jugendliche Musiker*innen des Jugend Jazzorchesters Sachsen und des Fiddle Gateway Camps, die in entspannter Atmosphäre auf der erst kürzlich fertiggestellten und von NEUSTART KULTUR geförderten Open-Air-Bühne inklusive zugehöriger Technik ihre Kunst zum Besten geben. Direkt neben dem Garten werden aus einer gemütlichen, im Bahnhofsgebäude eingerichteten Bar kühle Getränke serviert. Ein Foodtruck sorgt für kulinarische Verpflegung, untermalt von Jazz Standards und schwedischen Folk Melodien der sich ständig abwechselnden Musiker*innen.

Junge Musiker*innen gestalten das Programm beim Musiksommer am Kulturbahnhof

Der Ertüchtigung des Open-Air-Bereichs soll der Ausbau des Bahnhofsgebäudes folgen. Bislang finden Konzerte in der ehemaligen Wartehalle statt. Durch einen Wanddurchbruch soll ein großer Konzertsaal entstehen, auch mit Hilfe der Förderung von NEUSTART KULTUR. Ein weiterer Zugang sorgt für eine pandemiegerechte Wegführung und Dachfenster ermöglichen eine Frischluftzufuhr und somit einen regelmäßigen Luftaustausch. Dass Alireza Rismanchian eigentlich Architekt ist, merkt man beim Zwiegespräch über die Pläne vor Ort schnell. Fachkundig erläutert er die Visionen, vor Ort Altes mit Modernem zu kombinieren, anschaulich verdeutlicht durch architektonische Entwurfszeichnungen.

Kultur kehrt in strukturschwache Regionen zurück und der Kulturbahnhof in Leisnig ist längst kein Einzelfall. Während der Führung durch das Bahnhofsgebäude treffen wir auf dem Bahnsteig einen weiteren Kulturschaffenden aus Leisnig. Mirko Joerg Kellner vom Forte Belvedere bietet den geneigten Zuschauer*innen Konzerte in besonderem Ambiente auf dem Burgberg, am Leisniger Belvedere. Eine Konkurrenz zum Kulturbahnhof? Mitnichten. „Wir ergänzen uns. Wir machen die Stadt glücklich mit Kultur”, sagt Mirko Joerg Kellner. „Auf einmal wissen die Leute, wo sie hingehen sollen“, fügt Alireza Rismanchian hinzu. Bevor beide Kultureinrichtungen unabhängig voneinander quasi zeitgleich ihre Pforten öffneten, habe es in Leisnig nichts dergleichen gegeben. Vielmehr schien die Stadt ein Paradebeispiel strukturschwacher Regionen, die Lokalpresse berichtete mehrfach vom Abwandern von Betrieben und Gastronomie. Laut Mirko Joerg Kellner sei irgendwann ein Wendepunkt erreicht gewesen.

Das bunte Programm des Musiksommers hat viele Interessierte angelockt

Ein offener Treffpunkt entsteht

Zu diesem habe mit großer Sicherheit auch die günstige Lage Leisnigs, fast mittig zwischen Leipzig und Dresden, beigetragen. Doch nicht nur überregional sei die Anziehungskraft der neuen Leisniger Kulturarbeit zu spüren. „Wir haben uns vorgenommen, von Anfang an integriert zu werden in die Stadt“, verdeutlicht Alireza Rismanchian. Der Kauf des Gebäudes und die (kulturellen) Pläne der jungen Musiker*innen wurden in der Lokalpresse offen kommuniziert, von Beginn an waren die Türen offen für die Stadtbevölkerung. Die Neugier und Hilfsbereitschaft waren von Anfang an groß. Viele ehrenamtliche Helfer*innen fanden den Weg zum Bahnhof um mit anzupacken und die Kulturschaffenden zu unterstützen, diese waren sichtlich überwältigt von der Resonanz. Das positive Gefühl spüre man letztendlich auch bei den Kulturveranstaltungen selbst. Mit meist weit über einhundert Zuschauer*innen seien diese außerordentlich gut besucht. Kinderfeste und kulinarische Märkte steigern das Interesse der Lokalbevölkerung zusätzlich und binden sie in das Kulturangebot ein.

Angesichts des positiven Echos für den Kulturbahnhof Leisnig haben Alireza Rismanchian und seine Mitstreiter*innen noch viel vor. Arbeit ist genug vorhanden, Ideen und Potenzial ebenfalls. Dank der Förderung durch NEUSTART KULTUR kann neben dem Open-Air-Areal mit der neuen Bühne auch bald der neu gestaltete Innenbereich bespielt werden. Perspektivisch soll der Kulturbahnhof ein Refugium für Kulturschaffende aller Couleur werden. Die Einrichtung eines Coworking Cafés in der ehemaligen Gepäckaufbewahrungshalle ist ebenso geplant wie Gästezimmer, in denen sich Künstler*innen einquartieren und längere Zeit von diesem kreativen Ort inspirieren lassen können.

Bis dahin erfreuen sich Zuschauer*innen wie auch die Betreiber*innen an den lauen Sommernächten im Bahnhofsgarten. Auch Alireza Rismanchian greift zur Geige und stimmt in schwedische Folk-Klänge ein, vereinzelt fassen sich Zuschauer*innen ein Herz und zeigen ihre tänzerischen Fähigkeiten. An diesem Abend wird eines ganz deutlich in Leisnig: Kultur verbindet, führt zusammen, vor allem in einer ehemals darbenden Kulturlandschaft.