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Die 50 Teilnehmer*innen der vergangenen Schwarmwissen-Veranstaltung haben sich über Fördermöglichkeiten ausgetauscht. Wir blicken auf den Online-Treff zurück und geben Link-Tipps.

Ende März haben sich Geförderte bei NEUSTART KULTUR beim Bundesverband Soziokultur und dessen Mitglieder zum Wissensaustausch getroffen. Schwarmwissen nennt sich dieser monatlich stattfindende Online-Treff, dessen Themen die Teilnehmenden selbst festgelegt haben. Dieses Mal schwärmten 50 soziokulturelle Akteur*innen aus ganz Deutschland zusammen, um sich gegenseitig Hilfe beim Durchblicken des dichten und weitläufigen Förderdschungels zu leisten.

Lieber größere Förderungen

So unterschiedlich die Vorerfahrungen, so eindeutig das gemeinsame Ziel: Langfristige Förderung, die eine verlässliche Grundlage für einen kontinuierlichen Kulturbetrieb bildet. Strukturförderung wäre ideal, Projektförderung jedoch die Regel. Ein Tipp eines Teilnehmenden: „Lieber größere Förderungen beantragen, denn kleinere lohnen sich nicht wegen des Aufwands.“

Administrativer Aufwand lohnt sich

Der Aufwand vieler Förderprogramme ist für die meisten Schwarmmitglieder ein Problem. Eine Teilnehmende berichtet, dass ihnen geraten wurde, wegen des administrativen Aufwands Europagelder erst ab vier Festangestellten zu beantragen. Eine andere Teilnehmerin pflichtet ihr bei: „Wir saßen drei Monate mit drei Festangestellten an einem EU-Antrag.“ Förderung macht Arbeit, das Wissen auch unsere Geförderten, aber die Arbeit zahlt sich aus.

Politische Netzwerkarbeit wichtig

Gerade auf kommunaler Ebene können Kultureinrichtungen von politischen Kontakten und Netzwerken profitieren, berichten Schwarmmitglieder. Der Berliner Quartiersrat sei ein positives Beispiel für Beteiligung und Mitgestaltung auf kommunaler Ebene.

Auf Landesebene setzen sich in unserem Verband die jeweiligen Landesverbände für eine zeitgemäße und angemessene Förderung der Soziokultur ein. Der Bundesverband Soziokultur übernimmt dies auf Bundesebene. Wenn ihr über die Verbandsaktivitäten auf dem Laufenden bleiben wollt, könnt ihr den Newsletter des Bundesverbandes abonnieren.

Links zu Kulturförderungen

Ob Kommune, Land, Bund und EU – manche Töpfe stehen der Soziokultur offen. Den Richtigen zu finden, ist oft nicht einfach. Hier findet ihr Portale und Websites, die euch bei der Suche unterstützen:

Europa fördert Kultur

Förderdatenbank des Bundes

Landesverband Soziokultur Mecklenburg-Vorpommern

Andere Landesverbände geben auf ihren Webseiten meist auch Tipps zu Förderungen.

Newsletter des Bundesverbandes Soziokultur

Das Göttinger “boat people projekt” lebt Diversität in allen Bereichen – von der Bühne über das Publikum bis hin zur Leitungsebene. Welchen Herausforderungen das Team dabei begegnet, davon berichtet Theatermacher Reimar de la Chevallerie.

Das boat people projekt ist ein als Verein und Kollektiv organisiertes Freies Theater in der Göttinger Weststadt. Seit 2009 steht politisches Theater zu den Themen Flucht und Migration auf dem Spielplan. Damals arbeiteten die Theatermacherinnen und Gründerinnen Luise Rist und Nina de la Chevallerie vor allem mit Geflüchteten zusammen und brachten gemeinsam deren Fluchterfahrungen auf die Bühne und an die Öffentlichkeit. Auch Theatermacher Reimar de la Chevallerie war damals schon beteiligt und erinnert sich: “Durch die Residenzpflicht war es sehr schwierig, mit Geflüchteten aus den umliegenden Städten zusammenzuarbeiten.“ Als im Zuge der großen Migrationsbewegungen im Sommer 2015 wieder viele professionelle Theatermacher*innen aus Syrien oder dem Irak nach Deutschland kamen, wollten auch die großen städtischen Theater Ensembles mit Geflüchteten gründen, berichtet de la Chevallerie. „Wir waren damals sozusagen bereits Expert*innen für die Zusammenarbeit mit Geflüchteten und viele kamen auf uns zu und haben uns nach unserer Expertise gefragt.“

Der Werkraum: Die Werk- und Wirkstätte des boat people projektes in der Göttinger Weststadt

Soziokultur in der Göttinger Weststadt

Neben den Schauspielproduktionen bietet das boat people projekt heute auch viele soziokulturelle Angebote an. In den sogenannten „Clubs“ für Kinder, Jugendliche oder Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen arbeiten diese gemeinsam an Film-, Musik- und Theaterprojekten. Die Projekte sprechen insbesondere auch Menschen aus den umliegenden Unterkünften für Geflüchtete an. Hier kommen Neu- und Alt-Göttinger*innen zusammen. „Das ist supertoll für den Stadtteil, der in Göttingen oft als ein sozialer Brennpunkt betrachtet wird“, berichtet de la Chevallerie. Das Theater liegt in einem Gewerbegebiet, circa drei Kilometer vom Göttinger Hauptbahnhof entfernt.

Die jungen Eriks sind eine regelmäßige Theatergruppe junger Erwachsener mit und ohne Beeinträchtigungen | © boat people projekt e.V.

Besonders wichtig ist es dem boat people projekt, auch für ein diverses Publikum zu spielen. „In unserem Team arbeitet eine transkulturelle Netzwerkerin, welche gezielt unterschiedliche Publikumsgruppen anspricht und auf unser Programm aufmerksam macht“, erzählt de la Chevallerie. Mit dieser direkten und auf Nachhaltigkeit zielende Ansprache und auch neuen technischen Mitteln, wie den Augmented-Reality-Brillen, durch die eine direkte Übersetzung in verschiedene Sprachen möglich ist, erreicht das Theater mittlerweile Gäste aus vielen verschiedenen Gruppierungen.

Vorherrschende Machtstrukturen aufbrechen

Auch das siebenköpfige Kernteam und die 50 weiteren mitarbeitenden Performer*innen, Musiker*innen und Techniker*innen setzen sich heute aus Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und kultureller Hintergründe zusammen. Viele haben auch selbst eine Flucht- oder Migrationsgeschichte. Um einen Umgang mit nach wie vor bestehenden Hierarchien und Privilegien zu finden, bildet sich das Team in Workshops stetig weiter. Es wird viel über patriarchale und koloniale Machtstrukturen diskutiert und versucht, diese aufzubrechen – nicht ohne sich auch immer wieder selbst kritisch in Frage zu stellen. Reimar de la Chevallerie, der sich als privilegierten weißen Mann bezeichnet, erinnert sich, dass eine Kollegin in einem dieser Workshops einmal zu ihm sagte: „Ich habe das Gefühl, dass deine Stimme immer doppelt so viel zählt.“ Dem Theatermacher hilft dieser Austausch, sein Verhalten und die Struktur im boat people projekt zu ändern.

Die Kinder des Kinderclubs profitieren vom bunten Kostümfundus des Theaters | © boat people projekt e.V.

Diversität auf allen Ebenen

Reimar de la Chevallerie setzt sich mit dem deutschen Kultursystem auseinander, in dem, wer Geld und Macht hat, auch die Themen bestimmen kann. Er findet: „Diversität muss es auch auf Leitungs- und Regieebene geben, sonst ändert sich auch in den Besetzungen nichts.“ Und so versucht das Freie Theater bewusst Regie- und Leitungspositionen mit unterschiedlichen Perspektiven zu besetzen. So wird auch mit verschiedenen Formaten und ästhetischen Formen experimentiert. Zudem wird die eurozentrische Sichtweise auf gesellschaftliche Probleme reflektiert und versucht, das eigene Programm hinsichtlich Themen und Stückauswahl zu dekolonisieren. “Hier in Göttingen haben wir das Glück, etwas unter dem Radar zu sein und auch mal etwas ausprobieren zu können.“

Das boat people projekt ist für ihn und die 50 Kolleg*innen zu einem Ort geworden, an dem sich vieles in Kooperationen und dem gemeinsamen Schaffen ausprobieren lässt. Für die Förderprogramme würde Reimar sich wünschen, dass es für solche Prozesse des Experimentierens mehr Zeit gäbe, um sich zunächst kennenzulernen, um Barrieren zu benennen und abbauen zu können. Dafür müssten die Förderzeiträume für Produktionen verlängert würden.

Reimar de la Chevallerie mit dem geförderten E-Lastenrad vor dem Werkraum

Mit professionellem Equipment durch die Pandemie

Die NEUSTART KULTUR-Mittel haben dem boat people projekt in der Pandemie sehr geholfen. „Wir hätten schon irgendwie auch ohne weiter machen können. Draußen mit zwei improvisierten Lampen vielleicht. Aber durch die Förderung konnten wir eben wirklich professionell weiterarbeiten“, freut sich de la Chevallerie. Neben den Scheinwerfern halfen auch Outdoor-Boxen und ein Outdoor-Mischpult, die Proben und Aufführungen ins Freie zu verlegen. Und das grüne E- Lastenrad samt Fahrradanhänger machte den Transport zu den neuen Veranstaltungsorten um einiges nachhaltiger.

 

“Lebenslanges Lernen – Musik ohne Grenzen” so heißt ein Projekt der Berliner Symphoniker und des Otto Dibelius Wohnstifts in Berlin. In Kursen und Workshops erarbeiteten Senior*innen Texte zu selbstgewählten Themen und verknüpften diese mit klassischer Musik. Im Mittelpunkt steht dabei die Auseinandersetzung mit persönlichen Lebenserfahrungen und gesellschaftsrelevanten Fragen.

Musik ohne Grenzen nennt sich das Education-Programm der Berliner Symphoniker. Mit diesem generationenübergreifenden Projekt möchten die Symphoniker*innen Menschen jeden Alters erreichen, sie mit ihrer musikalischen Arbeit vertraut machen und für klassische Musik begeistern. Das Kammermusikensemble geht in Kitas, Schulen, Bildungseinrichtungen und Wohnheime, um mit niedrigschwelligen Angeboten Teilhabe zu ermöglichen. Im Rahmen dieses Programms haben sie das Projekt Lebenslanges Lernen auf die Beine gestellt und mit Hilfe der NEUSTART KULTUR Förderung umgesetzt.  Rund 30 Bewohner*innen des Otto Dibelius Wohnstifts für altersgerechtes betreutes Wohnen haben gemeinsam mit den Berliner Symphoniker*innen in insgesamt 16 Workshops Ideen entwickelt, Themen, Texte und Musik erarbeitet und die Ergebnisse anschließend einem öffentlichen Publikum präsentiert.

Themenfindung und Workshops

16 Workshops mit 30 Teilnehmenden – was wie eine große Herausforderung klingt, entwickelte durch die gut angelegte Struktur der Workshops schnell eine produktive Dynamik. Zum Einstieg sammelten die Teilnehmenden zunächst Themen. „Beim ersten Treffen gab es sieben oder acht Themenvorschläge. Wir haben uns zusammengesetzt, um darüber zu sprechen. Es gab Vorschläge wie ‘Corona‘ oder ‘Krieg in der Ukraine’, was wir nicht wollten. Wir wollten etwas Schönes. Toleranz war ein Thema, was allen zusagte, ebenso Glück und Reisen. Mit den weiteren Workshops ist viel in Fluss gekommen“, berichtet Teilnehmerin Karin Bellack.

Nachdem schließlich vier Themen erarbeitet waren, konnten die vertieften Workshops beginnen. Dabei hatte jedes Thema wiederum einen Zeitrahmen von vier Workshops. Die Bewohner*innen setzten sich daran, ihre eigenen Erzählungen und Geschichten zu erfassen und in Texten festzuhalten. Dabei brachten sie ihre persönlichen Erfahrungen, Lebensentwürfe und Gedanken ein. Anschließend wurde gemeinsam mit den Symphoniker*innen die passende Musik zu den Texten besprochen – eine spannende und komplexe Aufgabe, die die Musiker*innen teilweise bis in die späten Abendstunden beschäftige, wie Projektleiterin Henrike Wassermeyer weiß.

Nach jedem abgeschlossenen Themenblock wurden Texte und Musik zunächst in hausinternen Aufführungen den anderen Bewohner*innen präsentiert. Dabei standen die Senior*innen teilweise zum ersten Mal selbst im Scheinwerferlicht: „Ich war sehr neugierig, was passiert. Ich habe mich mit einem Thema intensiv beschäftigt, habe mich getraut auf die Bühne zu gehen und meinen eigenen Text vorzutragen“, so Teilnehmerin Eva Mantel. Für sie und die restlichen Beteiligten dienten die vier internen Aufführungen gleichzeitig als Generalprobe für den großen Projektabschluss.

Ergänzende Kurse zu klassischer Musik

Begleitend zu den Workshops nahmen die Bewohner*innen an Kursen zu Musikeinführung und Musiktheorie teil. Hier wurden einzelne Stücke und Konzertprogramme besprochen, Musikinstrumente erklärt, Spieltechniken erläutert und das Leben und Schaffen von Komponist*innen vorgestellt. So konnten die Teilnehmenden ein besseres Gefühl für die Musikauswahl entfalten und außerdem Spaß an klassischer Musik entwickeln oder vertiefen. Die Kurse stießen auf große Begeisterung unter den Bewohner*innen des Otto Dibelius Stifts. Karin Bellack schwärmt: „Ich bin sehr unmusikalisch, kann keine Noten lesen. Aber ich habe hier so viel gelernt über Musikinstrumente, über Komponisten. Die Zusammenarbeit mit den Musiker*innen war sehr herzlich und zugewandt“.

Die Kombination aus Kursen und Workshops machte das Projekt zu einem echten Erlebnis für alle Beteiligten. Die intensive Beschäftigung mit Texten und Musik und der Austausch miteinander beeindruckte auch die Musiker*innen. Es sei bei weitem das Beste gewesen, was er an Workshops erlebt hat, so Violinist Edgar Petri. „Wir waren alle gefragt, daran mitzuarbeiten. Der Kontakt, die Ideen konnten nur wachsen, weil es viel Zeit miteinander gab.” Musiker Philippe Perotto, der das Projekt mit konzipiert hat, betonte zudem, dass in den Workshops alles auf Augenhöhe geschieht. Die Grundidee des Projekts sei eine echte Zusammenarbeit zwischen Teilnehmenden und Musiker*innen.

Darüber hinaus sahen Teilnehmende im Projekt eine wertvolle Gelegenheit, andere Bewohner*innen neu und besser kennenzulernen. Die intensive Beschäftigung miteinander hat die Teilnehmenden näher zusammengebracht und das Gruppengefühl gestärkt.

Die Senior*innen standen teilweise zum ersten Mal selbst im Rampenlicht

Großes Abschlusskonzert im Festsaal

Nach den hausinternen Aufführungen war es dann so weit: Eine Auswahl an Texten wurde getroffen und von den Bewohner*innen bei einem großen, öffentlichen Abschlusskonzert im Festsaal des Otto Dibelius Stifts präsentiert: die Themen Glück, Reisen, Toleranz sowie Mensch und Natur kamen auf die Bühne des gut gefüllten Festsaals – und dieses Mal sogar mit größerer musikalischer Besetzung.
In vier musikalischen Lesungen erzählten die Teilnehmenden von Erinnerungen aus ihrer Kindheit, von Lieblingsorten und -landschaften, Herausforderungen, Lebensreisen, Spuren der Vergangenheit und Formen des Erinnerns. Begleitet vom Kammermusikensemble und den Klängen von Händel und Mozart gestalteten die Senior*innen einen berührenden Abend – gefühlvoll, persönlich und eindrücklich.

Zum großen Abschlusskonzert füllte sich der Festsaal des Otto Dibelius Wohnstifts

Spätestens nach der gelungenen Abschlussaufführung waren sich alle Beteiligten einig: das Beschäftigen mit klassischer Musik, das Auseinandersetzen mit der eigenen Geschichte, die Herausforderung der Präsentationen und der Austausch untereinander wurden als großer Gewinn und Bereicherung empfunden. Alle – Initiator*innen, Bewohner*innen und Musiker*innen – möchten das Projekt unbedingt weiterführen.

Das Zentralwerk im Dresdener Stadtteil Pieschen blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Derzeit erlebt der ehemalige Fabrikstandort eine Transformation zur Kulturfabrik. Der Ort verbindet Wohnen, Arbeiten, Kunst und Kultur auf einem Gelände. Handwerker*innen, Kulturschaffende und Künstler*innen gestalten ihr Lebens- und Arbeitsumfeld gemeinsam. Förderreferentin Andrea hat das genossenschaftlich organisierte Projekt besucht.

Schon vom S-Bahnsteig aus sieht man den kompakten Gebäudekomplex vom Zentralwerk in Dresden Pieschen. Imposant und auch etwas einschüchternd stehen die zwischen 1939 und 1941 erbauten, als Hochbunker geplanten Türme rechts und links vom Hauptgebäude. Gegenüber steht das Gemeinschaftshaus mit dem Festsaal. Über einen großen Innenhof sind die vier Gebäude miteinander verbunden. Einst wurden hier Näh- und Schreibmaschinen produziert, bis der Gebäudekomplex im Zweiten Weltkrieg zur Rüstungsfabrik umgebaut wurde. Nach dem Krieg nutzten die Grafischen Großbetriebe Völkerfreundschaft die Gebäude bis 1991 als Druckerei. Danach lag der Standort überwiegend brach. Seit 2015 ist die gemeinnützige Stiftung trias Eigentümer des Geländes und überließ es in Erbbaurecht der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG. Zwei Drittel der ca. 5.300 qm großen Nutzfläche werden an Kulturakteur*innen  und Initiativen mit Bezug zu Kunst und Kultur vermietet, ein Drittel wird bewohnt. In der Kulturfabrik haben sich derzeit über 60 Künstler*innen, Initiativen und kleine Unternehmen eingemietet.
Als kultureller Arm der Kultur- und Wohngenossenschaft engagiert sich der Zentralwerk e.V. mit seiner Hauptwirkungsstätte im Gemeinschaftshaus des Zentralwerks unter dem Motto: Leben, wohnen, arbeiten. Der Verein setzt dabei auf Selbstorganisation, Vielfalt und Zivilgesellschaft mit dem Ziel, einen Freiraum für selbst gestaltetes Leben, Kultur und Kunstproduktion in Dresden zu schaffen. Gemeinnützig und nicht profitorientiert stellt das Zentralwerk Räume für Kunst und Kultur sowie bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung.

Erste Eindrücke mit Baustellenflair

NEUSTART KULTUR fördert den Zentralwerk e.V. und den farbwerk e.V., einer der Mieter*innen des Kulturzentrums. Für meinen Besuch habe ich mir deshalb vorgenommen, mit beiden Einrichtungen zu sprechen. Den Gebäudekomplex betrete ich an einem herrlichen Spätsommertag im September durch den Seiteneingang mit dem ehemaligen Pförtnerhäuschen. Dieses ist nun umfunktioniert zum „Späti“, um auch die Nachbarschaft in das Leben des Zentralwerks einzubinden. Der Innenhof gleicht zurzeit einer Großbaustelle, überall gibt es Sandberge, Rohre oder andere Baumaterialien, Menschen sehe ich erstmal nicht. Nach meiner Runde über den Hof erscheint Steffen Lewandowski, Verwaltungsleiter des farbwerk e.V., der mich herzlich begrüßt. Dazu kommen Jacqueline Hamann, künstlerische Leiterin des farbwerk e.V., Christian Palmizi, Geschäftsführer des Zentralwerk e.V. und Markus Prodehl, Vorstandsmitglied der Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden eG und Architekt. Der Architekt, der mit ehrenamtlichem Einsatz unermüdlich die Bau- und Umbaumaßnahmen im Zentralwerk plant und managt.

Kulturförderung und Sanierung im Arbeiterviertel Pieschen

Das Zentralwerk hat sich vorgenommen, von den NEUSTART KULTUR Fördermitteln den Kleinen Saal im ersten Obergeschoss des Gemeinschaftshauses zu sanieren. Der große Saal im Erdgeschoss wurde bereits saniert und strahlt im neuen Glanz. Markus führt uns durch den kleinen Saal und erklärt die Umsetzung der Sanierung. Was jetzt noch fehlt, ist die Decke.

Die Sanierungsarbeiten im Kleinen Saal sind noch im Gange

Zwischendurch bleibt Zeit für einen Kaffee und ein Gespräch über das Zentralwerk. Dresden Pieschen ist ein Arbeiterviertel, in dem die große neue Kulturstätte skeptisch beäugt wird. Als zweitgrößtes Sanierungsgebiet Dresdens hat die Stadt die Mischnutzung des Geländes mit Mietpreisbindung und Ansiedlung der Künstler*innen unterstützt. 20 Wohnungen, zum Teil mit Atelier, sind vermietet.
„Die Immobilienmasse dem Markt zu entziehen und sie soziokulturellen Projekten zur Verfügung zu stellen“, war Ziel des Zentralwerk e.V., so Christian Palmizi.

2 Mitarbeiter der Fa. Krug, Steffen Lewandowski, Christian Palmizi, Jacqueline Hamann und Andrea Döteberg (v.l.n.r.) auf dem Gelände des Zentralwerk

Vereinsarbeit, Inklusion und Herausforderungen in der Pandemiezeit

Jacqueline und Steffen zeigen mir die Räume des farbwerk e.V. im Hauptgebäude: Zwei Probenräume und eine Masken- und Kostümwerkstatt. Der Kunst- und Kulturverein farbwerk e.V. für Künstler*innen mit und ohne Behinderung gründete sich im Jahr 2014 aus einer Dresdener Künstlerinitiative, um kulturelle Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderung im Bereich Kunst und Kultur und die Zusammenarbeit mit professionellen Künstler*innen zu fördern. Es bestehen vielfältige Kooperationen wie beispielsweise mit der Bürger:Bühne am Staatsschauspiel Dresden, dem Ensemble El Perro Andaluz, dem Projekttheater Dresden, dem Theater Projekt Zentrum Dresden, verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe wie etwa Werkstätten und Wohnheime, sowie diverse Netzwerke mit inklusiven Kultureinrichtungen und Künstler*innen in Deutschland.

Der farbwerk e.V. arbeitet hauptsächlich mit Jugendlichen und Erwachsenen mit körperlichen und geistigen Besonderheiten. Seit 2021 gibt es auch erste Angebote für Kinder. Aufgrund der Einschränkungen durch Corona konnten und wollten viele Menschen mit Behinderung nicht mehr an den Theaterprojekten teilnehmen. Die Organisation der Teilnahme war zu schwierig, da behinderte Erwachsene oft bei den Eltern leben, die entsprechend älter sind und durch die Pandemie in ihrer eigenen Bewegungsfreiheit beschränkt waren. Menschen mit Behinderung, die in Heimen untergebracht sind, durften die Unterkunft oft nicht verlassen oder nur unter strengen Auflagen wie den täglichen Coronatests. So wurde der Kontakt vor Ort zu den Akteur*innen und Künstler*innen des farbwerk e.V. und eine aktive gemeinsame künstlerische Praxis in Gruppen über lange Zeiträume unterbrochen und konnte nach der Wiederöffnung nicht im gewohnten Maß vollständig aufgebaut werden. Große Gruppen sind nach wie vor noch nicht planbar

Dennoch schaffte es der Verein mit sehr viel Engagement und Ideenreichtum seine Arbeit über unterschiedlichste Angebote von Kulturspaziergängen bis hin zu Kunstpaketen und Telefonstunden, Filmprojekten vor der Haustür und Online-Premieren sowie Formate in Kleinstgruppen weiterzuführen. Auch die bereits 2019 neu geplanten Musikformate und neuen Kursangebote konnten mit viel Kreativität und Erfindungsgeist trotz Corona starten. Aus Schnupperkursen wurden Fensterkonzerte vor Wohnheimen und für die geplanten Musikkurse wechselten die Wege ihre Richtung und führten die Musiker*innen zu den Teilnehmer*innen. Neben dem Theaterbereich hat sich trotz aller Schwierigkeiten die farbwerk-Band gegründet und jeden Dienstag probt ein inklusives, experimentelles Improvisationsorchester, dessen Teilnehmer*innen durch musikalische Einzelförderung begleitet werden. Mittwochs wird getanzt, genäht und DJ-Arbeit erprobt. Die Theaterarbeit baut nach und nach wieder größere Gruppen und seine neu entwickelten eins zu eins Tandem-Formate aus.

Ausblick

Um weiterhin Möglichkeiten für inklusive Begegnungen zu schaffen und den Mitarbeitenden und Besucher*innen möglichst sichere Bedingungen zu bieten, erweitert der farbwerk e.V. mit den NEUSTART KULTUR Fördermitteln seine Nutzungsfläche im Souterrain des Hauptgebäudes. Der große Probenraum wird mit einer mobilen Trennwand geteilt und erhält einen neuen pflegeleichten Tanzteppich. Außerdem entsteht ein benutzerfreundliches Foyer mit Wartebereich, in dem auch eine Indoor-Teststation untergebracht wird.

Im Mai 2022 erhielt der farbwerk e.V. den Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden 2022, herzlichen Glückwunsch!

Im ehemaligen Bahnhofsgebäude von Leisnig entsteht nach den Plänen von vier jungen Musiker*innen ein Ort des kulturellen Austauschs und der Begegnung, der Musik und Kreativität. Ein Beitrag über die Wiederbelebung von Kultur und deren konnektiver Funktion in strukturschwachen Regionen. Förderreferent Felix Künzel war vor Ort und hat sich umgesehen.

Malerisch liegt der Bahnhof von Leisnig eingebettet im Tal der Freiberger Mulde. Eine einzelne Dame wartet auf den baldigen Regionalzug nach Leipzig, während die untergehende Sonne den Bahnhof und die Burg Mildenstein in ein gemütliches Licht tauchen und aus dem Bahnhofsgarten beschwingte Jazzmelodien zu hören sind. Das Bahnhofsgebäude selbst, ein repräsentativer neuklassizistischer Bau, hat den Zenit seiner Bedeutsamkeit seit etlichen Jahren überschritten und wurde weitgehend dem Verfall preisgegeben. Doch dies soll nicht so bleiben. Eine Reinkarnation soll das Bahnhofsgebäude von Leisnig erfahren, jedoch nicht als Verkehrsknotenpunkt in Mittelsachsen, sondern vielmehr als Kulturbahnhof. Und die manchmal melancholischen, meist munteren Melodien der jungen Jazz- und Folkmusiker*innen an diesem Abend sind bereits ein deutliches Signal dafür.

Alireza Rismanchian ist einer der vier jungen Menschen, die sich dieses Projekt vorgenommen haben. Er selbst ist Architekt und, ebenso wie seine Partner*innen, Musiker. Über die Musik haben die Gründer*innen zusammengefunden und einen Ort für Musik wollten sie schaffen. Zunächst sollte es ein Dreiseitenhof werden, die anfängliche Skepsis gegenüber einem alten Bahnhofsgebäude wurde jedoch beim ersten Besuch in Leisnig schnell zu Gunsten der Visionen und Ideen an diesem Ort ausgeräumt. „Eine perfekte Schnittstelle zwischen unserem internationalen Netzwerk und der Stadt“ nennt Alireza Rismanchian den Kulturbahnhof. Man sei symbolisch wie auch tatsächlich die Haltestelle in der Stadt, ein neutraler und offener Ort der Begegnung.

Der Kulturbahnhof von innen – im Hintergrund die Gleise

Konzerte statt Warten auf den nächsten Zug

An diesem lauen Sommerabend sind es knapp zwei Dutzend jugendliche Musiker*innen des Jugend Jazzorchesters Sachsen und des Fiddle Gateway Camps, die in entspannter Atmosphäre auf der erst kürzlich fertiggestellten und von NEUSTART KULTUR geförderten Open-Air-Bühne inklusive zugehöriger Technik ihre Kunst zum Besten geben. Direkt neben dem Garten werden aus einer gemütlichen, im Bahnhofsgebäude eingerichteten Bar kühle Getränke serviert. Ein Foodtruck sorgt für kulinarische Verpflegung, untermalt von Jazz Standards und schwedischen Folk Melodien der sich ständig abwechselnden Musiker*innen.

Junge Musiker*innen gestalten das Programm beim Musiksommer am Kulturbahnhof

Der Ertüchtigung des Open-Air-Bereichs soll der Ausbau des Bahnhofsgebäudes folgen. Bislang finden Konzerte in der ehemaligen Wartehalle statt. Durch einen Wanddurchbruch soll ein großer Konzertsaal entstehen, auch mit Hilfe der Förderung von NEUSTART KULTUR. Ein weiterer Zugang sorgt für eine pandemiegerechte Wegführung und Dachfenster ermöglichen eine Frischluftzufuhr und somit einen regelmäßigen Luftaustausch. Dass Alireza Rismanchian eigentlich Architekt ist, merkt man beim Zwiegespräch über die Pläne vor Ort schnell. Fachkundig erläutert er die Visionen, vor Ort Altes mit Modernem zu kombinieren, anschaulich verdeutlicht durch architektonische Entwurfszeichnungen.

Kultur kehrt in strukturschwache Regionen zurück und der Kulturbahnhof in Leisnig ist längst kein Einzelfall. Während der Führung durch das Bahnhofsgebäude treffen wir auf dem Bahnsteig einen weiteren Kulturschaffenden aus Leisnig. Mirko Joerg Kellner vom Forte Belvedere bietet den geneigten Zuschauer*innen Konzerte in besonderem Ambiente auf dem Burgberg, am Leisniger Belvedere. Eine Konkurrenz zum Kulturbahnhof? Mitnichten. „Wir ergänzen uns. Wir machen die Stadt glücklich mit Kultur”, sagt Mirko Joerg Kellner. „Auf einmal wissen die Leute, wo sie hingehen sollen“, fügt Alireza Rismanchian hinzu. Bevor beide Kultureinrichtungen unabhängig voneinander quasi zeitgleich ihre Pforten öffneten, habe es in Leisnig nichts dergleichen gegeben. Vielmehr schien die Stadt ein Paradebeispiel strukturschwacher Regionen, die Lokalpresse berichtete mehrfach vom Abwandern von Betrieben und Gastronomie. Laut Mirko Joerg Kellner sei irgendwann ein Wendepunkt erreicht gewesen.

Das bunte Programm des Musiksommers hat viele Interessierte angelockt

Ein offener Treffpunkt entsteht

Zu diesem habe mit großer Sicherheit auch die günstige Lage Leisnigs, fast mittig zwischen Leipzig und Dresden, beigetragen. Doch nicht nur überregional sei die Anziehungskraft der neuen Leisniger Kulturarbeit zu spüren. „Wir haben uns vorgenommen, von Anfang an integriert zu werden in die Stadt“, verdeutlicht Alireza Rismanchian. Der Kauf des Gebäudes und die (kulturellen) Pläne der jungen Musiker*innen wurden in der Lokalpresse offen kommuniziert, von Beginn an waren die Türen offen für die Stadtbevölkerung. Die Neugier und Hilfsbereitschaft waren von Anfang an groß. Viele ehrenamtliche Helfer*innen fanden den Weg zum Bahnhof um mit anzupacken und die Kulturschaffenden zu unterstützen, diese waren sichtlich überwältigt von der Resonanz. Das positive Gefühl spüre man letztendlich auch bei den Kulturveranstaltungen selbst. Mit meist weit über einhundert Zuschauer*innen seien diese außerordentlich gut besucht. Kinderfeste und kulinarische Märkte steigern das Interesse der Lokalbevölkerung zusätzlich und binden sie in das Kulturangebot ein.

Angesichts des positiven Echos für den Kulturbahnhof Leisnig haben Alireza Rismanchian und seine Mitstreiter*innen noch viel vor. Arbeit ist genug vorhanden, Ideen und Potenzial ebenfalls. Dank der Förderung durch NEUSTART KULTUR kann neben dem Open-Air-Areal mit der neuen Bühne auch bald der neu gestaltete Innenbereich bespielt werden. Perspektivisch soll der Kulturbahnhof ein Refugium für Kulturschaffende aller Couleur werden. Die Einrichtung eines Coworking Cafés in der ehemaligen Gepäckaufbewahrungshalle ist ebenso geplant wie Gästezimmer, in denen sich Künstler*innen einquartieren und längere Zeit von diesem kreativen Ort inspirieren lassen können.

Bis dahin erfreuen sich Zuschauer*innen wie auch die Betreiber*innen an den lauen Sommernächten im Bahnhofsgarten. Auch Alireza Rismanchian greift zur Geige und stimmt in schwedische Folk-Klänge ein, vereinzelt fassen sich Zuschauer*innen ein Herz und zeigen ihre tänzerischen Fähigkeiten. An diesem Abend wird eines ganz deutlich in Leisnig: Kultur verbindet, führt zusammen, vor allem in einer ehemals darbenden Kulturlandschaft.

 

 

Das LOLA Kulturzentrum sorgt seit 30 Jahren für soziokulturelle Unterhaltung im Hamburger Bezirk Bergedorf. Mitgründerin Petra Niemeyer erzählt über ihre linken Anfänge, die Schwierigkeiten der Pandemie und den Wert kultureller Arbeit.

Das Kulturzentrum LOLA feiert im September sein 30-jähriges Jubiläum. Genauso lange ist auch Mitgründerin Petra Niemeyer schon dabei. Ihr soziokulturelles Engagement begann 1979, als die studierte Bekleidungsingenieurin gemeinsam mit Freund*innen das Wutzrock-Festival organisiert hat. Anschließend gründete die Freundesgruppe – allesamt Autodidakt*innen – ein selbstverwaltetes Jugendzentrum, das heute nach über 40 Jahren ebenso noch besteht. „Dort haben wir die Grundlagen für unsere Arbeit in der Soziokultur gelernt“, erzählt Niemeyer stolz. Bestens gerüstet waren sie also, um schließlich eine der leerstehenden Bergedorfer Polizeiwachen in die LOLA zu verwandeln. Bis heute residiert die LOLA auf drei Etagen im roten Backsteingebäude. Über die Zukunft macht sich Petra Niemeyer trotzdem Sorgen.

Schwierigkeiten in der Pandemie

Derzeit leidet die LOLA weiterhin unter den Folgen der Pandemie. Trotz Wegfall der Einschränkungen bei Veranstaltungen ist man hier noch vorsichtig. Anstelle von 700 Gästen werden zur Disco nur 400 Menschen reingelassen. Und bei Theaterveranstaltungen, die indoor stattfinden, reduziert sich das Publikum leider von selbst. Die Auslastung bei Veranstaltungen liegt im Vergleich zu 2019 oftmals bei unter 50 Prozent. Viele Gäste haben anscheinend immer noch Angst, sich anzustecken, und nach der langen Pause werden Familienfeiern, Geburtstage etc. nachgeholt, von dem Besuch einer Kulturveranstaltung jedoch oftmals abgesehen.
Auch Mitarbeiter*innen für die Veranstaltungen zu finden, war für Petra Niemeyer sehr schwer: „Alle Türsteher waren auf einmal weg! Ganz Deutschland ist ja auf der Suche nach geeignetem Personal, vor allem in der Gastronomie.“ Auch die Auszubildenden in der Veranstaltungstechnik, mit denen sie früher viel zusammengearbeitet haben, sind weggefallen, weil weniger bis gar nicht ausgebildet wurde. Erfahrene Techniker*innen mit freien Kapazitäten sind in diesem Sommer, wie so vieles, eher rar gesät und müssen außerdem höher entlohnt werden.

LED-WandFür gut klingende Veranstaltungen braucht es gute Veranstaltungstechniker*innen

© LOLA Kulturzentrum

Hamburger Engagement gegen die Mangelverwaltung in der Soziokultur

Hinzu kommen die ganz „normalen“ Alltagsprobleme in der Soziokultur: Zu wenig Personal, zu geringe Gehälter, gerade auch für Berufsanfänger*innen und damit einhergehende Nachwuchsprobleme sowie befristete Verträge aufgrund von Projektlaufzeiten. In Hamburg haben sich die soziokulturellen Institutionen nun im Bündnis KulturWert – Faire Tarife für alle zusammengeschlossen und wollen durch Öffentlichkeitsarbeit und Aushandlung mit der Politik, bessere Bedingungen für die Szene schaffen.
Petra Niemeyer kennt diese Probleme aus der Praxis nur zu gut: „Wir betreiben seit 30 Jahren eigentlich Mangelverwaltung. Finanziell und personell. Grundsätzlich brauchen wir mehr Geld. Und auch eine Verstetigung. Also wenn ein Projekt gut läuft, soll es verstetigt werden, anstatt dass immer neue Anträge geschrieben werden müssen.” Niemeyer merkt an: „Es gibt so viele Erwartungen an uns. Der Stadtteilkultur wird eine große Bedeutung beim Einsatz gegen das Auseinanderdriften der Gesellschaft zugeschrieben, weil sie in der Lage ist, Brücken zu bauen. Doch diese Bedeutung findet sich leider oftmals nicht in der Entlohnung der Mitarbeiter*innen wieder.”

LED-WandSonnengelber Schutz bei jedem Wetter: Die neue Hof-Überdachung in der LOLA

© Pia Sollmann

Förderanträge und Bauchschmerzen

Durch die allgemeine Überlastung und die Personalknappheit waren auch die umfangreichen Anträge für die Mittel von NEUSTART KULTUR nicht immer einfach zu bewältigen. „Bundesrecht ist viel schärfer als Landesrecht.“, sagt Petra Niemeyer. Wegen des Vergaberechts hatte das Team oftmals Bauchschmerzen, weil immer die Sorge dagewesen sei, nicht alles richtig zu machen. Zudem war es nicht möglich, verbindliche Kostenvoranschläge zu bekommen, da weder Preise konstant noch Lieferzeiten bekannt waren und sind. Die pandemiebedingte Senkung der Schwellwerte für eine erforderliche Vergabe hat hier offenbar nur wenig geholfen, ursprüngliche Kostenplanungen waren sehr schnell hinfällig, der Eigenmittelanteil dadurch automatisch höher.
Das bei staatlichen Mitteln alles ordentlich kontrolliert und abgerechnet wird, findet Niemeyer richtig, aber der Aufwand stehe oftmals nicht im Verhältnis.
Mit dem Bundesverband Soziokultur als mittelausgebende Stelle war Petra Niemeyer aber dennoch sehr zufrieden: „Das war besser als jede Bundesbehörde oder das Finanzamt. Sie haben ja ein Gefühl für die Arbeit, die wir machen und haben uns stets bestens informiert.“

Auch über die geförderte Hofüberdachung sind Petra Niemeyer und das LOLA Team sehr glücklich. Mit der Bühne können Veranstaltungen jetzt auch bei schlechtem Wetter draußen stattfinden und man kann auch kurzfristig umdisponieren: „Da lacht natürlich mein Herz als Veranstalterin, wenn man alles ganz flexibel und kreativ bespielen kann.“
Die nächsten Probleme wie Inflation und Energiekosten stehen schon vor der Tür. Niemeyer glaubt, dass ihre zehn letzten Berufsjahre die schwersten sein werden. Aber trotz aller Schwierigkeiten, macht die Arbeit ihr und den Kolleg*innen einfach auch extrem viel Spaß – sonst würde das einfach niemand machen.