Das Programm NEUSTART KULTUR ist eines der wenigen Investitionsprogramme, die ausdrücklich dazu aufgerufen haben, den eigenen ökologischen Fußabdruck bei Investitionen zu reflektieren und gering zu halten. Wir haben vier geförderte Einrichtungen gefragt, wie sie pandemiebedingte Investitionen mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpft haben und vor welchen Herausforderungen sie standen.
Der Verein Galgenberg 2 e.V. hat durch den Bau von Komposttoiletten für den Außenbereich Barrierefreiheit mit Ressourcenschonung verknüpft. Mit dem erweiterten Toilettenangebot hat der Verein gleichzeitig die Hygieneauflagen umgesetzt. Außerdem hat er das Prinzip „gebraucht statt neu“ konsequent verfolgt, auch bei der Photovoltaikanlage. Dabei ist die Grundeinstellung eindeutig: „Ökolabel? Klar achten wir darauf!“
Komposttoilette des Galgenberg 2 e.V.
© Galgenberg 2 e.V.
Der Verein Kulturgut Freiland e.V. arbeitet nach dem Motto „möglichst viel selbst machen“ und hat auf mobile Lösungen gesetzt, die das Arbeiten im Freien möglich machen und an Dritte verliehen werden können. Investiert wurde in mobile Komposttoiletten, einen mobilen Garderobenwagen und einen Bürowagen. Es wurden Schraub- und Stecksysteme für den schnellen Auf- und Abbau verbaut.
Der Verein Meerkultur e.V. hat über eine stromgeführte Heizung nebst Speicher, die von einer Photovoltaikanlage gespeist werden, zusätzliche Räumlichkeiten für Besucher*innen erschlossen. Damit hat er gezeigt, dass man emissionsarm und platzsparend heizen kann. Ein bereits gedämmtes Gebäude führte zu einem geringen Wärmebedarf, der mit dieser Variante sogar in der lichtarmen Jahreszeit gedeckt werden soll.
Der Verein Zucker e.V. hat nach jahrelangen Zwischennutzungen endlich über einen langjährigen Pachtvertrag einen zentral gelegenen Hochbunker für die Bremer Kulturlandschaft erschlossen. Die Fördermittel von NEUSTART KULTUR setzte er für die Kofinanzierung einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ein, die die Hygieneauflagen erfüllt.
Photovoltaikanlage auf dem Atelierdach des Meerkultur e.V.
© Meerkultur e.V.
Nachhaltigkeitsprinzipien
Die Beispiele zeigen, dass es gelingen kann, bei Investitionen ganzheitlich zu agieren. So vereint die barrierearme Komposttoilette alle Kriterien einer nachhaltigen Investition: Sie wurde weitestgehend aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut, funktioniert ohne Wasser und amortisiert sich damit vergleichsweise schnell. Langfristig führt diese Investition zu geringeren Verbrauchskosten als ein mit Wasser betriebenes WC. Die Berücksichtigung der Wärmerückgewinnung bei einer verpflichtend einzubauenden Lüftungsanlage ist zwar kostenintensiver, senkt jedoch dauerhaft die Kosten für Heizung und Warmwasser. Die Beschaffung gebrauchter Dinge spart Ressourcen und ist mit geringeren Kosten für die Anschaffung verbunden.
Allen Beispielen ist gemein, dass die Einrichtungen die Investitionen entlang eigener Nachhaltigkeitsprinzipien geplant haben: teilen statt besitzen, gebraucht statt neu, möglichst regional, mobil und flexibel, so emissionsarm wie möglich. Dass das Programm NEUSTART KULTUR dies zuließ, empfanden alle als motivierend und bereichernd.
Gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit
Die Arbeit der Förderreferent*innen bezeichneten alle als unterstützend und hilfreich. Es überwog das Gefühl, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und Dinge zu ermöglichen. „Wir haben uns wertvoll gefühlt“, sagen Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland. Gleichzeitig sagen sie, dass manchmal noch eine Hemmschwelle bestehe, die Förderreferent*innen bei Fragen zu kontaktieren. Sie seien zu Beginn unsicher gewesen, inwiefern Fragen negativ ausgelegt werden könnten. Insgesamt waren jedoch alle Befragten sehr zufrieden mit der Unterstützung und Beratung durch die Förderreferent*innen. Gleichzeitig waren die formalen Abläufe von Antragstellung bis zum Verwendungsnachweis für ehrenamtlich geführte Einrichtungen nicht immer leicht nachzuvollziehen. Gerade bei Investitionen sei es hilfreich, wenn der Auszahlungsplan nicht vom Programm vorgegeben wird, sondern sich stärker an den Zahlungsanforderungen der durch die Investitionen initiierten Prozesse orientiert.
Photovoltaikanlage des Galgenberg 2 e.V.
© Galgenberg 2 e.V.
Nutzen und Herausforderungen des Förderprogramms
„Dass Investitionen im Kulturbereich gefördert wurden, kam zur richtigen Zeit“, sagt Ida vom Verein Meerkultur. Das Programm reagierte auf die Notsituation, die durch die Pandemie erzeugt wurde, und fokussierte auf den Umbau kultureller Einrichtungen mit dem Ziel, den Publikumsbetrieb trotz Hygieneauflagen zu erhalten. Ein Mitglied des Aktionsteams des Vereines Galgenberg hebt die Flexibilität des Investitionsprogramms hervor. Die Investitionen haben über die Einhaltung von Hygieneauflagen hinaus einen zusätzlichen Nutzen geschaffen. Das Programm habe die Gelegenheit geboten, überhaupt in nachhaltige Sanitäreinrichtungen zu investieren. Das allein sei bereits ein Gewinn, meinen Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland. Für die Lüftungsanlage im Hochbunker war das Programm eine zwingend notwendige Investitionsergänzung. Ohne sie hätten die Lüftungsanlage nicht pandemiegerecht erneuert werden können. Die Kosten der Maßnahme überstiegen den Rahmen von NEUSTART KULTUR allerdings um ein Vielfaches, sagt Kriz vom Zucker e.V.
Die Umsetzung der Investitionsmaßnahmen verzögerten sich während der Pandemie aufgrund von Lieferengpässen und Personalknappheit mehr als üblich. Personal- und Materialkosten und -verfügbarkeit, die bei Antragsstellung recherchiert wurden, konnten sich bis zum Zeitpunkt der Durchführung stark verändert haben. Bei einigen Projekten führen veränderte Rahmenbedingungen zu teilweise mehr als 100 Prozent Mehrkosten. Die Folgen waren, dass bei vielen Einrichtungen, die über das Programm gefördert wurden, der Kostenrahmen angepasst werden musste. Teilweise mussten zusätzliche Mittel von anderen Stellen akquiriert werden. Solche Risiken sind generell schwer kalkulierbar, nicht nur bei Investitionen mit Nachhaltigkeitsbezug.
Das Ausmaß an Verzögerungen, Lieferengpässen und Kostensteigerungen, mit denen sich viele Einrichtungen bei der Umsetzung ihrer Investitionsprojekte konfrontiert sahen, war zu Beginn von NEUSTART KULTUR nicht absehbar und erforderte eine besondere Flexibilität in der Umsetzung des Programms. Durch Anpassungen konnten Fristen verlängert und Aufstockungen nachgereicht werden.
Innenraum des mobilen Garderobenwagens des Kulturgut Freiland e.V.
© Kulturgut Freiland e.V.
Weiterer Bedarf an Investitionsmitteln für Nachhaltigkeit
In den nächsten Jahren müssen viele Gebäude mit Kulturbetrieb energetisch saniert werden. Die meisten müssen ihre Heizung noch auf erneuerbare Energiequellen umstellen. Hier ist es ratsam, Förderung, Beratung und konkrete Ausführungsplanung von Sanierungsmaßnahmen enger miteinander zu verzahnen, etwa in Bezug auf Prüf- und Bewilligungszeiträume und im Umgang mit Kostensteigerungen.
Dilan und Eric vom Kulturgut Freiland würden gerne weitermachen: „Wir wollen in Nachhaltigkeit investieren und wünschen uns mehr Förderprogramme, die das möglich machen!“ Dass sich das lohnt, zeigten die Erfahrungen des Vereins Meerkultur bereits im ersten Winter: Dank neuer Heizung und eigener Energieerzeugung seien sie viel resilienter aufgestellt und kamen gut durch die Energiekrise. Entsprechend klar formuliert Ida vom Verein Meerkultur, was sie sich für die Zukunft wünscht: „Es sollte ein Investitionsprogramm aufgelegt werden, um die Umstellung auf erneuerbare Energien und die energetische Sanierung und Wärmedämmung von Gebäuden zu ermöglichen. Es ist wichtig, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken. Denn so senken wir auch die laufenden Kosten.“ Die Beispiele haben gezeigt, dass die Bereitschaft groß ist, sich mit nachhaltigen Investitionen zu befassen und die Mittel effizient und kreativ einzusetzen.
Für alles muss es Beauftragte geben – jetzt auch noch jemanden für die Nachhaltigkeit? Wie soll das im Alltag einer Einrichtung mit ohnehin knappen Ressourcen funktionieren? Den Arbeitsalltag gemeinsam Schritt für Schritt nachhaltiger zu gestalten, ist allerdings gar nicht so kompliziert, wie es manchmal scheint. Das zeigen wir euch in unseren Online-Workshop am 14. November 2023.
Die Klimakatastrophe überlagert alles
Das Jahr 2022 war wieder eines der wärmsten Jahre seit der Aufzeichnung von Klimadaten. Noch nie war die Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre so hoch wie heute. Klima-forscher*innen, unter anderem der Gründer des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Hans Joachim Schellnhuber, mahnen bereits an, dass das 1,5 Grad-Ziel nicht mehr gehalten werden könne. Wir können aber nur in einer klimafreundlichen Gesellschaft sozial gerecht leben. Daher ist der beste Zeitpunkt für Maßnahmen gegen den Klimawandel: Jetzt!
Nachhaltiges Organisationshandeln
Die aktuellen Krisen haben verdeutlicht, dass Organisationen lernen müssen, mit einem hohen Maß an Unsicherheit umzugehen. Nichtwissen leitet unsere Handlungen und zwingt uns, das Unvorhergesehene einzukalkulieren und unseren Pfad stetig zu korrigieren. Nicht die 100 Prozent-Lösung ist gefragt, sondern der Mut zum Unperfekten. Nachhaltiges Organisationshandeln kann in diesem Zusammenhang als ein andauernder Prozess verstanden werden, der zum neuen Normal werden muss.
Der Zyklus zum Einführen von Nachhaltigkeit in Organisationen: Der Zyklus beginnt rechts oben mit dem Einholen von Unterstützung und wird im Uhrzeigersinn umgesetzt, Illustration: Bundesverband Soziokultur
Die Phasen eines Transformationsprozesses.
Eigene Darstellung nach Gruber & Brocchi 2021 und Stiftung Niedersachsen 2021
Anfangen…
Die Abbildung oben stellt einen typischen Ablauf zur Implementierung dar. Eine Organisation braucht als Erstes eine gemeinsame Entscheidung und das Mandat der Geschäftsführung. Elementarer Baustein ist eine feste Struktur, zum Beispiel mit eine*einem Beauftragten oder einer AG. Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind transparent und eindeutig verteilt. In den Managementprozess sollten alle Bereiche der Organisation eingebunden werden. Das systematische Vorgehen ist dabei zentral. Hinter der strategischen Analyse verbirgt sich die gemeinsame Erörterung der Frage, welche Potenziale und Herausforderungen für die Organisation in Bezug auf Nachhaltigkeit existieren: Welche Handlungsfelder – etwa Beschaffung, Energie und Gebäude, Gesundheit oder Inklusion – hat die Organisation und welchen sollte sie sich als erstes widmen? Diese grundsätzliche Richtung sollte die Organisation in Form von möglichst konkreten Leitlinien festhalten und anschließend zentrale Handlungsfelder benennen, für die sie Maßnahmen identifiziert. Managementthemen wie die Einführung eines indikatorengestützten Monitorings und Berichterstattung kann die Organisation dann angehen, wenn sie erste Prozesse etabliert hat und ihre Mitarbeiter*innen bestimmen können, welche Kennzahlen sich für die Überwachung ihrer Ziele gut eignen. Stehen Ziele, Maßnahmen und Indikatoren fest, ergibt sich Berichterstattung als nächster logischer Schritt.
… und weitermachen.
Am Anfang steht also die Einbindung des Teams: Macht gemeinsam eine Bestandsaufnahme davon, was ihr bereits in puncto Nachhaltigkeit unternommen habt und wo Handlungsbedarf besteht. Nehmt euch einen halben Tag Zeit, um entlang eurer Handlungsfelder einen Maßnahmenplan zu entwickeln. Geht schrittweise vor und vertraut auf die Ideen des Teams. Beginnt bei der Umsetzung mit den Dingen, die schnell und einfach zu erledigen sind – z. B. Stromanbieterwechsel oder Umstellung auf nachfüllbare ökologische Reinigungsmittel.
Fester Bestandteil der Teamsitzungen
Nachhaltiges Organisationshandeln erhält am besten einen festen Platz in euren Teamsitzungen: Reserviert jeweils 15 Minuten, in denen der Maßnahmenplan überprüft wird, Hemmnisse erörtert und neue Aufgaben verteilt werden. So wird Nachhaltigkeit zur Routine.
Workshop für Geförderte bei NEUSTART KULTUR
Im Schwarmwissen-Workshop Nachhaltiges Organisationshandeln werden wir euch einen Einblick in die Grundzüge des Nachhaltigkeitsmanagements geben, mögliche Maßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern vorstellen und einen Prozess zur Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements in einer Organisation skizzieren. In den angesetzten zwei Stunden ist genug Zeit für Fragen und Anregungen sowie für einen Austausch von Ideen.
Der nächste Workshop findet am 14. November von 10 bis 12 Uhr statt. Da die Zahl der Teilnehmer*innen begrenzt ist, bitten wir Euch um eine Anmeldung.
Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form im stadtkultur magazin der STADTKULTUR HAMBURG am 23.12.2022.
Das paho. Zentrum für Papier wurde als Plattform für Künstler*innen und Kunstinteressierte gegründet, die sich den vielen Facetten des Themas Papier widmen. In Workshops und partizipativen Angeboten wird Kindern sowie Erwachsenen der Werkstoff und das Handwerk dahinter nähergebracht. Claudia hat das Zentrum besucht und ist mit Gründerin Ute in die Welt des Papierschöpfens eingetaucht.
Donnerstagvormittag in Großderschau, einem brandenburgischen Dorf. Drei Künstlerinnen sitzen konzentriert im Garten, sammeln Holzstückchen aus Stroh und diskutieren die nächsten Schritte. Das „Stroh“ stellt sich auf Nachfrage als Hanfstroh heraus. 3.000 Quadratmeter haben sie von der benachbarten Agrargenossenschaft anbauen und mähen lassen. „Das war gar nicht so leicht. Hanf hat sehr lange Fasern und niemand wollte sich das Mähwerk ruinieren. Zum Glück haben sie noch einen alten Scheibenmäher gefunden“, erzählt Ute Fürstenberg, die Vierte der Runde, Gründerin des paho. Zentrum für Papier und Leiterin des Projekts Faserwerkstatt.
Anke Meixner vom Projekt Faserwerkstatt begutachtet und bearbeitet das Hanfstroh
Papierforschung im paho
„Aber das reicht ja nicht. Um Papier herzustellen, muss der Hanfstängel noch zerkleinert und entholzt werden und solche Geräte hat niemand mehr im Gebrauch.“ Aber auch hier hatten sie Glück. Bei einem Vortag in Wismar sprechen sie den Dozenten Dr. Hans-Jörg Gusovius an, der am Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam die Maschinen einer Pilotanlage zur Verfügung stellt. Säcke voller Hanfstroh werden durch Guillotine und Extruder gejagt, unterschiedlichste Varianten hergestellt, damit weitergeforscht werden kann, wie aus den Zwischenprodukten feines und langlebiges Papier hergestellt werden kann. Denn das ist das Ziel ihres gemeinsamen Projektes, welches am Wochenende zum Tag des offenen Ateliers auch interessierten Besucher*innen zugänglich gemacht werden soll.
Das Hanfstroh kommt durch die „Guillotine“ © Petra Walter-Moll
Eine Region mit Tradition im Papierhandwerk
Während die Künstlerinnen weiterarbeiten, führt Ute mich durch das paho. Das Haus samt Garten hat sie vor einigen Jahren erworben, um eine Basis für ihre Kulturarbeit zu schaffen und ein bundesweites Netzwerk Gleichgesinnter aufzubauen. Unzählige verschiedene Papiere sind hier zu finden, Siebe und altes Gerät, welches früher zur Papierherstellung genutzt wurde. „Havelland und Prignitz waren bekannt für Papier- und Textilherstellung, hier gab es viel Wasser, das braucht man dazu. Im Nachbarort ist auch die alte Papierfabrik, mit der wir kooperieren.“ Das historische Gebäudeensemble in Hohenofen ist heute ein technisches Denkmal von überregionaler Bedeutung.
Die ersten Versuche: geschöpftes und getrocknetes Papier
Eine Pflanzenkläranlage für das paho-Gelände
Viel ist noch zu tun auf dem paho-Gelände, das sieht man, aber Ute ist voller Tatendrang. „So nach und nach wird das schon. Ich bin froh, dass wir jetzt unser Badehaus in Betrieb haben, sonst wären solche Projekte hier gar nicht möglich.“ Badehaus? Tatsächlich, im Garten wurde ein alter Schuppen umgebaut. WCs und Waschmöglichkeiten finden sich jetzt dort und geben Besucher*innen die Möglichkeit, Sanitäranlagen außerhalb des Wohnhauses zu nutzen.
Das „Badehaus“ für Besucher*innen und Workshopteilnehmende
Wir gehen weiter und bleiben vor einer noch spärlich bewachsenen Kiesfläche stehen. „Das ist das Beste“, freut sich Ute, „eine Pflanzenkläranlage.“ Als unwissende Städterin frage ich genauer nach. „Wir hatten hier nur eine Einkammergrube. Bei solchen Veranstaltungen muss die alle paar Tage abgepumpt werden. Das kann ja niemand bezahlen!“ Nun gibt es vier Kammern, durch die das Abwasser fließt, dabei gefiltert und anschließend mittels Pumpe zum Schilfbeet transportiert wird. Durch Verteilerrohre gelangt es auf die Beetoberfläche, durchströmt das Kiesbett und wird von den Schilfwurzeln verstoffwechselt – die biologische Reinigung beginnt. Möglich waren beide Investitionen durch NEUSTART KULTUR-Fördergelder, die 2020 vom paho. beantragt wurden. Für das Kulturzentrum wäre es ohne Weiteres nicht möglich gewesen, die Mittel dafür aufzutreiben. Durch den Umbau kann der Garten nun gut als Werkstattgelände genutzt werden, steht für Workshops zur Verfügung und dient gleichzeitig als Ausstellungsfläche.
Ausstellung zum Hanf
Papierschöpfen und Gautschen
Drei Tage später bin ich erneut da. Schließlich möchte ich sehen, ob das Experiment funktioniert hat und sich nun Papier schöpfen lässt. Ich darf sogar selbst zur Tat schreiten, tauche ein Sieb in die grau-weiße Pulpe, füge Blütenblätter aus dem Garten hinzu, stülpe das Sieb auf ein Wollfilz und löse es durch vorsichtiges Hin- und Herbewegen. Gautschen nennt sich dieser Schritt. Gar nicht genug kann ich davon kriegen, denn auch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Anderen Besucher*innen geht es ähnlich, so dass viele feine, durchscheinende Blätter entstehen.
Claudia beim Papierschöpfen
Mit vereinten Kräften hieven wir den Stapel in die altertümliche Schlagpresse und drücken noch ordentlich Wasser raus. Mehrere Tage muss das Papier hier nun trocknen. Ich werde wohl noch einmal wiederkommen müssen, um das endgültige Ergebnis betrachten zu können. Welch Freude!
Für alles muss es Beauftragte geben – jetzt auch noch jemanden für die Nachhaltigkeit? Wie soll das im Alltag einer Einrichtung mit ohnehin knappen Ressourcen funktionieren? Den Arbeitsalltag gemeinsam Schritt für Schritt nachhaltiger zu gestalten, ist allerdings gar nicht so kompliziert, wie es manchmal scheint. Das zeigen wir euch in unseren Schwarmwissen-Workshop am 9. Mai und 7. September 2023.
Die Klimakatastrophe überlagert alles
Das Jahr 2022 war wieder eines der wärmsten Jahre seit der Aufzeichnung von Klimadaten. Noch nie war die Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre so hoch wie heute. Klima-forscher*innen, unter anderem der Gründer des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Hans Joachim Schellnhuber, mahnen bereits an, dass das 1,5 Grad-Ziel nicht mehr gehalten werden könne. Wir können aber nur in einer klimafreundlichen Gesellschaft sozial gerecht leben. Daher ist der beste Zeitpunkt für Maßnahmen gegen den Klimawandel: Jetzt!
Nachhaltiges Organisationshandeln
Die aktuellen Krisen haben verdeutlicht, dass Organisationen lernen müssen, mit einem hohen Maß an Unsicherheit umzugehen. Nichtwissen leitet unsere Handlungen und zwingt uns, das Unvorhergesehene einzukalkulieren und unseren Pfad stetig zu korrigieren. Nicht die 100 Prozent-Lösung ist gefragt, sondern der Mut zum Unperfekten. Nachhaltiges Organisationshandeln kann in diesem Zusammenhang als ein andauernder Prozess verstanden werden, der zum neuen Normal werden muss.
Der Zyklus zum Einführen von Nachhaltigkeit in Organisationen: Der Zyklus beginnt rechts oben mit dem Einholen von Unterstützung und wird im Uhrzeigersinn umgesetzt, Illustration: Bundesverband Soziokultur
Die Phasen eines Transformationsprozesses.
Eigene Darstellung nach Gruber & Brocchi 2021 und Stiftung Niedersachsen 2021
Anfangen…
Die Abbildung oben stellt einen typischen Ablauf zur Implementierung dar. Eine Organisation braucht als Erstes eine gemeinsame Entscheidung und das Mandat der Geschäftsführung. Elementarer Baustein ist eine feste Struktur, zum Beispiel mit eine*einem Beauftragten oder einer AG. Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind transparent und eindeutig verteilt. In den Managementprozess sollten alle Bereiche der Organisation eingebunden werden. Das systematische Vorgehen ist dabei zentral. Hinter der strategischen Analyse verbirgt sich die gemeinsame Erörterung der Frage, welche Potenziale und Herausforderungen für die Organisation in Bezug auf Nachhaltigkeit existieren: Welche Handlungsfelder – etwa Beschaffung, Energie und Gebäude, Gesundheit oder Inklusion – hat die Organisation und welchen sollte sie sich als erstes widmen? Diese grundsätzliche Richtung sollte die Organisation in Form von möglichst konkreten Leitlinien festhalten und anschließend zentrale Handlungsfelder benennen, für die sie Maßnahmen identifiziert. Managementthemen wie die Einführung eines indikatorengestützten Monitorings und Berichterstattung kann die Organisation dann angehen, wenn sie erste Prozesse etabliert hat und ihre Mitarbeiter*innen bestimmen können, welche Kennzahlen sich für die Überwachung ihrer Ziele gut eignen. Stehen Ziele, Maßnahmen und Indikatoren fest, ergibt sich Berichterstattung als nächster logischer Schritt.
… und weitermachen.
Am Anfang steht also die Einbindung des Teams: Macht gemeinsam eine Bestandsaufnahme davon, was ihr bereits in puncto Nachhaltigkeit unternommen habt und wo Handlungsbedarf besteht. Nehmt euch einen halben Tag Zeit, um entlang eurer Handlungsfelder einen Maßnahmenplan zu entwickeln. Geht schrittweise vor und vertraut auf die Ideen des Teams. Beginnt bei der Umsetzung mit den Dingen, die schnell und einfach zu erledigen sind – z.B. Stromanbieterwechsel oder Umstellung auf nachfüllbare ökologische Reinigungsmittel.
Fester Bestandteil der Teamsitzungen
Nachhaltiges Organisationshandeln erhält am besten einen festen Platz in euren Teamsitzungen: Reserviert jeweils 15 Minuten, in denen der Maßnahmenplan überprüft wird, Hemmnisse erörtert und neue Aufgaben verteilt werden. So wird Nachhaltigkeit zur Routine.
Workshop für Geförderte bei NEUSTART KULTUR
Im Schwarmwissen-Workshop Nachhaltiges Organisationshandeln werden wir euch einen Einblick in die Grundzüge des Nachhaltigkeitsmanagements geben, mögliche Maßnahmen in den einzelnen Handlungsfeldern vorstellen und einen Prozess zur Einführung eines Nachhaltigkeitsmanagements in einer Organisation skizzieren. In den angesetzten zwei Stunden ist genug Zeit für Fragen und Anregungen sowie für einen Austausch von Ideen.
Der nächste Workshop findet am 9. Mai 2023 von 14 bis 16 Uhr statt. Da die Zahl der Teilnehmer*innen begrenzt ist, bitten wir Euch um eine Anmeldung.
Am 7. September 2023 von 10 bis 12 Uhr bieten wir den Workshop nochmals an. Auch hier bitten wir um eine Anmeldung.
Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form im stadtkultur magazin der STADTKULTUR HAMBURG am 23.12.2022.
Auch ein Toilettengang kann nachhaltig sein! Mit einer Trockentoilette wird nicht nur jede Menge Wasser gespart, sie kommt auch völlig ohne Chemie aus und die Überreste können mit Hilfe von Sägespänen zum Kompostieren verwendet werden. Der GutAlaune e.V. bei Petersberg in Sachsen-Anhalt hat eine solche Trockentoilette neu herrichten lassen, um – gemeinsam mit der ebenfalls von uns geförderten Draußenküche – weiterhin kreative Projekte unter dem Motto „FreiRaum an FreiLuft!“ stattfinden zu lassen.
Vor sieben Jahren hat der gemeinnützige Verein begonnen eine Freifläche in einem Landschaftsschutzgebiet herzurichten und sie nachhaltig und kreativ zu nutzen. Mit Fokus auf Naturschutz und Landschaftspflege, sowie auf Kunst und Kultur finden hier sozial-ökologische Projekte statt und wird ein Raum für Austausch und kulturelle Teilhabe hergestellt.
Der inklusive und offene Projektort bietet Werkstätten, einen Gemeinschaftsgarten, Repair-Cafés, Nachbarschaftstreffen, Gesangs- oder Akrobatikkurse, Festivals oder Seminare zur nachhaltigen Selbstorganisation. Dabei arbeiten Kulturschaffende und Akteur*innen aus Ökologie und Sozialwesen zusammen und richten ihre Angebote vor allem an junge Menschen aus der Region, Menschen mit niedrigem Einkommen und Geflüchtete.
Auf dem Gut Alaune wird stetig renoviert, gegärtnert, geforscht und gebastelt – und Mitmachen ist ausdrücklich erwünscht!
Unsere Referentin für Nachhaltigkeit Franziska Mohaupt gibt Empfehlungen, wie Energie sofort und ohne oder mit geringen Investitionen eingespart werden kann.
Heizen
- Generell: Um Verbräuche eventuell nachweisen zu können, ist es wichtig, jetzt den Stand des Heizungszählers mit Datum zu notieren.
- Heizkörper reinigen und überall von Staub und Ablagerungen befreien: Wärme wird besser übertragen, wenn kein Schmutz ihre Abstrahlung verhindert. Überall – das heißt auch in den Zwischenräumen. Bürsten dafür gibt es im Baumarkt.
- Heizkörper freihalten: Damit der Raum warm wird, muss die warme Luft zirkulieren können. Dafür sollte weder auf noch unter dem Heizkörper etwas liegen. Wenn Heizkörper von oben mit Fensterbrettern oder von vorne mit Holz oder Vorhängen verkleidet sind, sollte man die Vorhänge entfernen oder das Holz mit Lüftungsschlitzen versehen.
- Flächen hinter den Heizkörpern mit dämmendem und reflektierendem Material beschichten: Wärme sollte nicht direkt an kalte Außenwände abgegeben werden. Gerade wenn die Heizung in einer Nische angebracht und dadurch die Außenwand dünner ist, geht besonders viel Wärme nach außen. Hier hilft eine Dämmschicht, die gleichzeitig die Wärme in den Raum reflektiert. Das ist zum Beispiel mit Holzfaserdämmstoffen möglich. Eine detaillierte Beschreibung gibt es auf engergie-fachberater.de.
- Thermostate und Ventile prüfen: Thermostate regeln die Temperatur in einem Raum. Die Zahlen auf dem Heizkörperthermostat entsprechen dabei einer bestimmten Temperatur: Die Stellung drei entspricht einer Raumtemperatur von 20 Grad. Bei der Stufe vier sind es 24 Grad. Um etwas unter 20 Grad zu bleiben, sollte Stufe zwei eingestellt sein. Es ist wichtig zu überprüfen, ob Thermostate funktionsfähig oder beschädigt sind. Spätestens alle 15 Jahre sollten Ventile ausgetauscht werden.
- Heizung entlüften: Hier gilt: Jeder Heizkörper muss einzeln entlüftet werden.
- Raumregler einstellen: Mit einer Regelung, die die Wärmeversorgung des gesamten Gebäudes oder der gesamten Etage steuert, können Temperaturen nach Zeit und Bedarf festgelegt, also zum Beispiel in der Nacht abgesenkt werden. Für kaum oder nicht genutzte Bereiche reichen 15 Grad. Auch Raumregelthermostate sollten regelmäßig gereinigt und nicht zugestellt werden.
- Warmwasser- und Heizungsleitungen checken: Über ungedämmte Leitungen geht viel Wärme verloren. Daher lohnt es sich, diese zu isolieren. Material gibt es im Baumarkt.
Heizen und Lüften
- Auch wenn man sparen will, ist es wichtig, dass die Räume nicht komplett auskühlen. Mindestens 15 Grad sollten gehalten werden.
- Soweit wie möglich sollten alle Türen geschlossen bleiben, um die Wärme in den Räumen zu halten.
- Gegen Schimmelgefahr hilft leider nur regelmäßiges Lüften, um die Feuchtigkeit aus den Räumen zu entlassen. Richtig lüften: Stoßlüften mit maximal offenen Fenstern und Durchzug. Wichtig ist, nichts direkt an die Wand zu stellen, damit sich dahinter keine Feuchtigkeit bilden kann
Warmwasser
- Durchlauferhitzer am Waschbecken sollten ausgestellt werden.
- Steht die Einstellung für die Bereitstellung von Warmwasser auf „Komfort“, wird das Wasser rund um die Uhr warmgehalten, besser ist die Stufe „Öko“.
Im Gastrobereich
- Kühlen I: Kühlschränke mit Getränken kann man getrost etwas wärmer einstellen („bis Beschwerden kommen, dass das Bier zu warm sei“).
- Kühlen II: Halb leere Kühlschränke „verlieren“ bei jedem Öffnen Kälte. Daher sollten sie stets mit Flaschen oder einfach leeren Boxen aufgefüllt werden, damit möglichst wenig Raum frei ist.
Fenster und Türen
- Auch Vorhänge und Jalousien an Fenstern halten Wärme im Raum, also sollten sie nach Veranstaltungsschluss geschlossen werden.
- Für die Eingangstüren gibt es schwere, dicke Vorhänge, die bis auf den Boden reichen und die – besonders zugezogen – eine Luftschleuse bilden.
Weitere Informationen
Energieberatung ist der erste Schritt und Voraussetzung für weitere Förderungen: Bei der Bundesförderung für Energieberatung für Nichtwohngebäude, Anlagen und Systeme werden Energieberatungen zur Erstellung von energetischen Neubau- und Sanierungskonzepten, Energieaudits sowie Contracting-Orientierungsberatungen für Nichtwohngebäude von Kommunen, gewerblich tätigen Unternehmen, freiberuflich Tätigen und gemeinnützigen Organisationen gefördert. Hier geht es zur Beratung.
Franziska Mohaupt ist Referentin für nachhaltige Entwicklung. In ihren Blogbeiträgen geht sie darauf ein, wie bei NEUSTART KULTUR – Zentren bei Investitionen auf Nachhaltigkeit geachtet werden kann. In ihrem zweiten Beitrag widmet sich Franziska der Fragestellung, wie sich Nachhaltigkeit schrittweise integrieren lässt und welche Vorüberlegungen hilfreich sind.
In diesem Beitrag stellen wir euch vor, wie ihr Nachhaltigkeit von Anfang an berücksichtigt. Wenn wir über Investitionen sprechen, wie ihr sie bei NEUSTART KULTUR beantragt, sprechen wir über Entscheidungen, die ihr bereits getroffen habt. Die Entscheidungen leiten sich aus euren Zielen und Planungen ab. Um nachhaltige Entscheidungen für Investitionen zu treffen, müssen wir also an den Anfang eurer Planung zurückgehen und schauen, welche Fragen ihr euch bei der Planung stellt und wie ihr das Thema Nachhaltigkeit systematisch in eure Planungen und Entscheidungen integrieren könnt.
Nachhaltige Entwicklung ist ein fortdauernder Prozess, den man besser gemeinsam im Team angeht. Dafür ist es hilfreich, sich bewusst dafür zu entscheiden, diesen Prozess anzugehen. Ihr könnt eure Entscheidung gemeinsam schriftlich ausformulieren. Damit geht ihr sicher, dass alle Bescheid wissen und die Entscheidung wirklich eine gemeinsame ist. Habt ihr eine Nachhaltigkeits-AG oder eine Person, der ihr die Aufgabe übertragen habt, diesen Prozess zu koordinieren? Denn auch wenn Nachhaltigkeit am Ende von allen gemeinsam umgesetzt wird, ist es wichtig, dass eine AG oder eine Person die Verantwortung für diesen Prozess hat und darauf achtet, dass Nachhaltigkeitsaspekte bei allen euren Aktivitäten berücksichtigt werden. Dieses Mandat sollte die AG oder Person von der Geschäftsführung erhalten.
Franziska Mohaupt ist Referentin für nachhaltige Entwicklung
Nachhaltigkeit ist kein Fass ohne Boden!
Sicher, man kann nicht alles auf einmal anpacken. Aber man kann anfangen. Am besten geht ihr schrittweise und systematisch vor:
Als erstes braucht ihr eine Übersicht darüber, wo durch eure Arbeit Ressourcen verbraucht werden und Kohlendioxid und Abfälle entstehen. Diese Bestandsaufnahme ist ein sehr wichtiger Bestandteil des Nachhaltigkeitsmanagements. Wenn ihr einen Überblick habt, könnt ihr besser entscheiden, mit welchen Maßnahmen ihr beginnen wollt. Am besten geht ihr dafür die verschiedenen Tätigkeitsbereiche eurer Arbeit nacheinander durch. Welche Tätigkeitsbereiche es gibt, hängt davon ab, was ihr macht und wie ihr arbeitet. Für die verschiedenen Kulturbereiche gibt es in Handlungsleitfäden Vorschläge und Investitionen, wie ihr eure Organisation in Tätigkeitsbereiche unterteilen könnt. Diese findet ihr unter anderem beim Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien unter der Rubrik „Wissen“. Mögliche Tätigkeitsbereiche sind: Energie und Gebäude, Ressourcen, Catering, Mobilität, Abfall, Kommunikation. Vielleicht kommen bei einigen von euch noch Künstler*innenbetreuung oder Requisiten dazu. Die AG kann die Kolleg*innen in den verschiedenen Arbeitsbereichen bitten, zu prüfen, wo ökologisches Verbesserungspotenzial besteht. In diesem Prozess werden auch Entscheidungen für nachhaltige Investitionen vorbereitet. Ihr merkt schon, Investitionen sind ein Teil des Nachhaltigkeitsmanagements, aber ein wichtiger.
Ein Beispiel ist die Fete de la Musique, die jedes Jahr am 21. Juni stattfindet. Die Veranstalter*innen haben beschlossen, dass sie eine grünere Fete haben wollen, und sich sowohl fachliche als auch organisatorische Unterstützung gesucht. In einem ersten Schritt wurden die Musiker*innen, die diesem großen dezentralen Musikevent auftreten, gefragt, welche Themen sie bei der Umsetzung der Idee einer grüneren Fete de la Musique wichtig finden. Aufbauend auf der Umfrage hat das Nachhaltigkeitsteam Handlungsfelder festgelegt und eine Handreichung mit vielen guten Beispielen und Checklisten erarbeitet, die konkret zum Handeln anregt.
Schritt für Schritt – das ist wichtig: nehmt euch erst einmal eine Maßnahme vor, setzt sie um und überprüft den Effekt. Tatsächlich werden Nachhaltigkeit und die damit verbundenen Veränderungen in den verschiedenen Bereichen eine Daueraufgabe sein. Dieser Prozess wird euch mit der Zeit immer leichter fallen – denn ihr werdet mit jeder gelösten Aufgabe kompetenter.
Was hat dies nun mit Beschaffung zu tun?
Investitionen im Rahmen von NEUSTART KULTUR dienen dafür, Kulturangebote pandemiesicher zu machen. Trotzdem könnt ihr euch zu zwei Zeitpunkten Fragen aus Nachhaltigkeitsperspektive stellen – bei der Planung von Maßnahmen, also am Anfang eures Prozesses, und bei der Auswahl der Dinge, in die ihr investieren wollt.
Bei der Planung der Maßnahmen solltet ihr prüfen, welche Investitionen wofür gebraucht werden und wie und wie oft ihr die Anschaffungen tatsächlich nutzen werdet. Eine wichtige Frage ist auch, ob ihr die Investitionen auch dann nutzen könnt, wenn es keine Pandemieauflagen mehr gibt.
Bei der Auswahl der Dinge, die ihr am Ende beschaffen wollt, könnt ihr auf Produkteigenschaften achten wie z.B. Langlebigkeit, Energieverbrauch oder Inhaltsstoffe. Hier helfen Ökosiegel, Angaben zur Energieeffizienz zum Herkunftsland bei der Entscheidung.
Franziska Mohaupt ist Referentin für nachhaltige Entwicklung. In ihren Blogbeiträgen geht sie darauf ein, wie bei NEUSTART KULTUR – Zentren bei Investitionen auf Nachhaltigkeit geachtet werden kann und welche Informationen und Managementkompetenzen hierfür hilfereich sind. Ihren ersten Beitrag widmet sie dem ökologischen Fußabdruck.
Beim Förderprogramm NEUSTART KULTUR – Zentren könnt ihr Zuwendungen für Investitionen beantragen, die unter Nachhaltigkeitskriterien ausgesucht wurden. Dies ist ein Novum in der Kulturförderung. In der Förderrichtlinie steht, dass zur Umsetzung der Maßnahmen ökologisch sinnvolle Möglichkeiten zu wählen sind. Diese sollen dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck bei euch zu verbessern. Die ist eine Chance: Das Programm ermöglicht es euch, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Indikatoren bieten Orientierung für nachhaltige Entscheidungen
Lebensmittelproduktion, die Herstellung von Konsumgütern, Energiegewinnung, Transport und Reisen: Bei allem, was wir konsumieren oder beschaffen, hinterlassen wir einen ökologischen Fußabdruck. Der Fußabdruck ist eine Messeinheit für die Ressourcen, die zur Herstellung des Produktes verbraucht wurden; beim Nachhaltigkeitsmanagement nennen wir solche Messegrößen Indikatoren, weil sie etwas anzeigen, was wir steuern wollen. Der ökologische Fußabdruck gibt an, wie viel Fläche – also Wald, Weideland, Ackerland und Meeresfläche – ein Mensch oder eine Organisation benötigt, um verbrauchte Ressourcen zu erneuern. Der kleine Bruder des ökologischen Fußabdrucks ist der CO2-Fußabdruck. Er gibt an, wie viele CO2-Emissionen ein Mensch in einer bestimmten Zeit verursacht. Beide Indikatoren bieten uns Orientierung, um nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Folgen des Konsumverhaltens greifbar machen
Ein Begriff, der mit dem Ökologischen Fußabdruck eng verknüpft ist, ist der sogenannte Erdüberlastungstag. Dieser gibt an, wann im Jahr die erneuerbaren Ressourcen der Erde verbraucht sind. Für das Jahr 2019 wurde der 29. Juli berechnet – ein paar Tage früher als im Jahr davor. Klar ist: Der Fußabdruck ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern besonders hoch – wir verbrauchen ungefähr das Dreifache von den Ressourcen, die uns eigentlich zur Verfügung stehen. Oder anders gesagt: Würden alle Menschen so konsumieren wie wir in Deutschland, würden wir die ökologische Kapazität von drei Erden brauchen. Der ökologische Fußabdruck ist damit vor allem eine Möglichkeit, die Folgen unseres Konsumverhaltens greifbar zu machen. Unübersehbar ist, dass wir unseren Ressourcenverbrauch deutlich senken müssen.
Den ökologischen Fußabdruck verringern
In den Anträgen, die ihr im Rahmen von Investitionsprogrammen wie NEUSTART KULTUR einreicht, habt ihr eine ganze Reihe von Entscheidungen getroffen: für die Anschaffung von Dingen und Materialien. Diese Entscheidungen beruhen auf euren Überlegungen dazu, was ihr in den nächsten Jahren benötigt, um trotz Corona Kultur zu schaffen. In weiteren Beiträgen stelle ich euch verschiedene Ansätze zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks vor, die an verschiedenen Stellen eures Entscheidungsprozesses ansetzen.
Das Förderprogramm NEUSTART KULTUR – Zentren 2 bietet die Möglichkeit, nachhaltige Produkte anzuschaffen. Der Bundesverband Soziokultur steht den Antragsteller*innen dabei beratend zur Seite. Nachhaltigkeits-Expertin Franziska Mohaupt erklärt, worauf beim nachhaltigen Kauf zu achten ist und welche Hilfestellungen es gibt.
Beim Kauf einer Spülmaschine wird es deutlich: Maschinen mit den besten Verbrauchswerten kosten deutlich mehr als Geräte, die mehr Strom und Wasser verbrauchen. Solche hochwertigen Produkte sind zwar in der Anschaffung teurer, gleichen dies jedoch durch geringere Kosten im Betrieb wieder aus. Das Problem ist: In Beschaffungsrichtlinien gilt häufig der günstigste Preis als maßgebliches Entscheidungskriterium. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien hat nun in fast allen Förderangeboten Nachhaltigkeit als ein wichtiges Bewilligungskriterium eingeführt. Kulturelle Einrichtungen sollen durch NEUSTART KULTUR nachhaltigere Produkte anschaffen können, auch wenn diese teurer in der Anschaffung sind.
Zur Umsetzung der Maßnahmen sind ökologisch sinnvolle Möglichkeiten zu wählen (wiederverwendbare Materialien und Ausstattung, möglichst geringer Energie- und Ressourcenverbrauch, nachhaltige Veranstaltungen und Mobilitätskonzepte etc.), die möglichst auch dazu beitragen sollen, den ökologischen Fußabdruck beim Antragsteller zu verbessern.
Der Passus aus den Fördergrundsätzen zu NEUSTART KULTUR im Bereich Zentren 2, der vom Bundesverband Soziokultur durchgeführt wird, ermöglicht den Antragsteller*innen, Anträge für Investitionen in nachhaltigere Produkte einzureichen, wenn sie nachweisen können, dass diese ökologisch nachhaltiger sind.
Öko-Label bieten Orientierung
„Die beste Orientierung für die aus ökologischer Sicht bessere Alternative liefern Öko-Label“, empfiehlt Franziska Mohaupt. Die erfahrene Ingenieurin für technischen Umweltschutz hat gemeinsam mit dem Team von NEUSTART KULTUR – Zentren 2 Kriterien für eine nachhaltige Beschaffung für das Förderprogramm erarbeitet. Sie berät potenzielle Antragsteller*innen und schult die Förderreferent*innen in Fragen der nachhaltigen Beschaffung. Sie weiß um die Schwierigkeiten, die viele Verbraucher*innen mit den Kennzeichnungen haben: „Es gibt unendlich viele Labels und es stellt sich die Frage, was es mir sagt und ob es ein glaubwürdiges ist.“
Das Internet-Portal label-online.de vom Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. gibt Orientierung im Label-Dschungel. Anhand von Produktkategorien sind hier alle Umweltkennzeichen aufgelistet und bewertet. Ein vertrauenswürdiges Öko-Label ist beispielsweise Der Blaue Engel, das Umweltzeichen der Bundesregierung. Auf blauer-engel.de sind konkrete Produkte aufgelistet, die das Umweltkennzeichen tragen.
Franziska Mohaupt ist Referentin für nachhaltige Entwicklung bei NEUSTART KULTUR – Zentren 2
Foto © Fotomanufaktur Schnittfincke
Lebenszykluskostenansatz als Grundlage
Bei Produkten, die kein Öko-Label besitzen, bietet der Lebenszykluskostenansatz eine Berechnungsgrundlage bei der Suche nach dem ökologischeren Produkt. Den Geförderten dient er als Vergleichsinstrument und Begründung ihrer nachhaltigen Produktwahl. „Mit dem Lebenszykluskostenansatz können Einrichtungen berechnen, welches Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus, also vor allem unter Berücksichtigung der Nutzungsphase, weniger Kosten generiert“, sagt Mohaupt.
War es in der Vergangenheit allein der Anschaffungswert, der als Richtline für förderfähige Produkte galt, sind Lebenszykluskosten die Kosten, die über die gesamte Lebensdauer des Produkts anfallen. Sie beinhalten für Konsument*innen die Kosten der Anschaffung, für Betrieb und Wartung sowie für die Entsorgung. „Wichtig ist, dass die Nutzungsdauer einbezogen wird“, sagt Mohaupt. „Bei einer Spülmaschine macht es einen gewaltigen Unterschied bei den Betriebskosten, ob die Nutzungsdauer drei oder zehn Jahre beträgt.“ Betriebskosten fallen höher ins Gewicht, je höher die Nutzungsdauer angelegt ist. Dabei gilt, dass geringere Betriebskosten einhergehen mit einem geringeren Ressourcenverbrauch während der Nutzung.
Ein weiterer Aspekt, der bei der Berechnung der Lebenskosten ins Gewicht fällt, ist die Langelebigkeit. Denn Produkte, die über eine Nutzungsdauer von sieben oder zehn Jahren nicht durch ein Neues ersetzt werden müssen, sparen viele Ressourcen, die sonst für die Herstellung verbraucht worden wären.
Dieser Ansatz ist besonders für solche Produkte sinnvoll, für die ein großer Teil der Kosten während der Nutzung oder Entsorgung zu erwarten sind. So kann sich ein höherer Kaufpreis amortisieren und Emissionen können eingespart werden. Für die Berechnung und den Vergleich der Lebenszykluskosten verschiedener Produktgruppen stellt das Umweltbundesamt ein Tool zur Verfügung. In den Excel-Tabellen sind auch Formulare zur Angebotseinholung enthalten, die von den Händler*innen ausgefüllt werden können und alle Informationen enthalten, die für den Kostenvergleich notwendig sind.
Steckbriefe für einzelne Produktgruppen
Leider steckt der Teufel im Detail. So gibt es für viele Produktgruppen noch keine verlässliche Umweltzertifizierung, auch weil diese mit den schnellen Entwicklungszyklen nicht mithalten kann. Für einzelne Produktgruppen, die bereits bei NEUSTART KULTUR – Zentren 1 häufig beantragt wurden, hat Franziska Mohaupt allgemeine Hinweise in kurzen Steckbriefen zusammengefasst, die die Suche nach ökologisch nachhaltigeren Produkten erleichtern.
Bei Laptops zum Beispiel werden bei der Herstellung viele Ressourcen verbraucht. Daher sind langlebige oder refurbished (= generalüberholte) Notebooks vorzuziehen. Für die Nutzungsphase gilt: Prozessor, Grafikkarte, Bildschirm und Netzteil haben den größten Einfluss auf den Stromverbrauch. „Bei der Beschaffung muss ich also zuallererst überlegen, was ich eigentlich mit dem Gerät machen möchte“, gibt Mohaupt zu Bedenken. „Ist es ein Bürocomputer, auf dem hauptsächlich Word-Dokumente bearbeitet werden sollen, oder benötige ich einen Multimedia-Computer, auf dem audiovisuelle Inhalte produziert werden.“ Je nach Nutzung werden unterschiedlich leistungsstarke Komponenten benötigt, die einen entsprechenden Stromverbrauch nach sich ziehen.
Steckbriefe
Die Steckbriefe und weitere Dokumente sind im Downloadbereich abrufbar.
Weiterführende Links
- UBA (2019): Schulungsskript des Umweltbundesamts zur Berechnung von Lebenszykluskosten: PDF zum Download
- Berechnungswerkzeug für Lebenszykluskosten verschiedener Produkte (LCC-Tool ): Excel-Tabelle zum Download
- Durchblick im Labeldschungel: www.label-online.de, www.siegelklarheit.de
- Neue Licht-Effizienzklassen der EU: PDF zum Download
- Prakash, S., Antony F., Köhler, A.R., Liu, R. und A. Schlösser (2016): Ökologische und ökonomische Aspekte beim Vergleich von Arbeitsplatzcomputern für den Einsatz in Behörden unter Einbeziehung des Nutzerverhaltens (Öko APC ). UBA Texte 66/2016: PDF zum Download