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29. November 2022

#neustartkultur, Projektbesuch

Ein Haus für die Kunst – Kunsthaus Mitte Oberhausen

Von: Andrea Döteberg

Das Kunsthaus Mitte befindet sich tatsächlich mitten in der Altstadt von Oberhausen, gleich neben der Pfarrei Herz Jesu. Das ist insofern erwähnenswert, weil die Herz-Jesu-Gemeinde Eigentümer des Gebäudes ist. Noch erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist der Name des Künstlers Christoph Schlingensief, ein waschechter Oberhausener und einst Messdiener in eben dieser Gemeinde. Förderreferentin Andrea war vor Ort.

Auf meinem Weg vom Bahnhof zum Kunsthaus Mitte fallen mir bereits einige Leerstände in der Altstadt auf. Oberhausen war vor zehn Jahren die Stadt mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung Deutschlands, nach dem Ende des Kohleabbaus und dem Niedergang der Stahlindustrie lag die Arbeitslosenrate bei knapp zehn Prozent. Mittlerweile fand ein Strukturwandel statt und die Ruhrmetropole hat sich als Einkaufs- und Freizeitstandort überregional etabliert. In der Altstadt leben heute viele Menschen mit Migrationshintergrund. Da die Kaufkraft fehlt, gibt es weiter Leerstand und alteingesessene Läden sind geschlossen.

Kunst und Kochen – Begegnungen auf Augenhöhe

Langsam nähere ich mich dem Kunsthaus Mitte in der Paul-Reusch-Straße 60. Tapfer steht es neben einer frischen Abrissbaustelle. Das Haus hat elf Räume mit einer Größe zwischen 7,5 - 40 Quadratmeter, die sich auf drei Stockwerke verteilen. Thomas Lehmen, Tänzer und Choreograph und ebenfalls geboren in Oberhausen, war vor drei Jahren auf der Suche nach einem Ort, an dem Kunst und Begegnung stattfinden können und zwar mitten in der Stadt um den Stadtkern wiederzubeleben. Nach einem Gespräch mit Pfarrer Vincent Graw drückte dieser ihm die Schlüssel für das Nebenhaus in die Hand und ließ Thomas machen. Thomas und viele helfende Hände verwandelten das Haus, in dem unter anderem das Archiv der Herz-Jesu-Gemeinde untergebracht war, in eine besondere Begegnungsstätte. Im Erdgeschoß befinden sich die Küche und ein großer Aufenthaltsraum, die Orte des heutigen Geschehens. Seit Monaten der Schließung steht zum ersten Mal wieder Kunst und Kochen auf dem Programm, eine multinationale Veranstaltung, bei der zwei Personen kochen und alle anderen bei den Vorbereitungen helfen dürfen. Da mache ich gern mit!

Heute kochen Rozan und Janda aus Syrien. Es gibt Falafel, Fladenbrot, zweierlei Dips und einen ganz köstlichen Salat. Langsam füllt sich das Haus und kurz vor dem Essen versammeln sich etwa 25 Personen aus aller Frauen und Herren Länder um den großen Tisch im Aufenthaltsraum. Es muss noch angebaut werden, dann haben alle Platz. Thomas eröffnet das Mahl und begrüßt die Gäste, die in vielen Sprachen das Grußwort erwidern und guten Appetit wünschen.

Wer zusammen kochen kann, kann auch zusammen Kunst machen und in einer Stadt zusammen leben! Dieser Gedanke steckt hinter der Veranstaltung, die vielfältige Begegnungen ermöglicht. Große und kleine Menschen aus Syrien, der Türkei, dem Iran, aus Afrika, Tschetschenien, der Ukraine und Deutschland essen heute hier zusammen und tauschen sich in lockerer, angstfreier Atmosphäre aus, wie schön ist das!

Leckere Gerichte aus aller Welt und gute Gespräche bei "Kunst und Kochen"

© Kunsthaus Mitte Oberhausen

„Oberhausen lieben heißt, ich mache alles für meine Stadt, sogar KUNST“

Thomas Lehmen, der Initiator des Kunsthaus Mitte, war selbst viel als Künstler in der Welt unterwegs, bis es ihn wieder in seine Heimatstadt verschlug. Manche sagen, er sei in Christoph Schlingensiefs Fußstapfen getreten. In Oberhausen möchte er etwas bewegen, vor allem im Bereich Tanz, aber auch anderen Künsten wörtlich einen Raum geben. Mit dem von der Kunststiftung NRW unterstützten Residenzprogramm im Kunsthaus Mitte, das ein- zweimonatige Residenzen vergibt, wurde ein Anfang gemacht. Zum weitgehend schwellenlosen Programm gehören außerdem Aktivitäten in den Bereichen Musik, Film, Skulptur, Malerei und Performance. Das Kunsthaus Mitte kooperiert mit anderen kulturellen Einrichtungen der Stadt, etwa mit dem Theater Oberhausen und auch dem nahe gelegenen Supermarkt der Ideen, um Veranstaltungsorte und Strukturen für Tanz-Arbeit Oberhausen  zu entwickeln und Orte in der Stadt zu schaffen, an denen Tanzproduktionen und Choreographien regelmäßig stattfinden können.

Projektmanager Simon Olk, Anna-Luise Binder, Yasemin Gedek Tayeboun, Rozan Hamo, Pari Rostamianomran und Leiter Thomas Lehmen (v.l.n.r.)

Kunst, ja - aber bitte fair bezahlt!

Ganz wichtig ist Thomas Lehmen, dass jede künstlerische Arbeit bezahlt werden sollte. So initiierte er im Jahr 2017 in Oberhausen das Projekt Brauchse Jobb? Wir machen TANZ!. Hieraus entwickelte sich das Kunsthaus Mitte sowie das Erste Oberhausener Arbeitslosen-Ballett, dessen Tanz-Arbeiter*innen alle eine bezahlte, sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle haben.

Um weiter Kunst für Oberhausen machen zu können und das Kunsthaus Mitte besser gegen die Auswirkungen der Pandemie zu wappnen, wurden durch NEUSTART KULTUR Luftfilter, die IT-Infrastruktur sowie Ausstattung für Open-Air- und dezentralen Einsatz in Form einer mobilen Bühne und einer mobilen Tonanlage gefördert.

Autor*innen

  Andrea Döteberg Förderreferentin NEUSTART KULTUR

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