Die CD-Kaserne in Celle ist mit ihrem vielfältigen Angebot die zentrale soziokulturelle Schnittstelle der Region. Die Corona-Pandemie hat das kulturelle Leben in der ehemaligen Reiterkaserne zum Stillstand gebracht und gefährdet die über Jahre gewachsenen Strukturen. Doch das Team der Kultureinrichtung begegnet der Herausforderung mit Kreativität und Flexibilität und macht sich mit Hilfe von Fördermitteln aus NEUSTART KULTUR für die Wiedereröffnung unter freiem Himmel bereit.
Bereits vor 25 Jahren nahm die CD-Kaserne in Celle als Jugend- und Kulturzentrum ihre Arbeit auf. Seitdem hat sie sich zu einem zentralen kulturellen Anlaufpunkt in Celle entwickelt und gilt als wichtigste soziokulturelle Schnittstelle der Region. Vor der Pandemie besuchten pro Jahr mehrere hunderttausend Besucher*innen das 33.000 qm große Gelände auf dem ehemaligen Kasernen-Areal der „Cambridge Dragoner“.
An der Struktur des Geländes erkennt man noch heute seine Geschichte als ehemalige Reiterkaserne: Um einen 3.500 qm großen Innenhof (früher Reit- und Appellplatz) gruppieren sich zwei Veranstaltungshallen (früher Reithalle und Werkstatt) sowie viele Nebengebäude (früher Pferdeställe). Das frei zugängliche Außengelände mit Skatepark, Streetballplatz und Liegewiese war als größter informeller Treffpunkt der Region in Vor-Pandemiezeiten immer gut besucht.
Illustration © CD-Kaserne gGmbH
Die Größe und Vielfalt der Infrastruktur spiegelt sich auch in den Aktivitäten des Zentrums wider: Zahlreiche Vereine, Initiativen und Projekte sind auf dem Areal zuhause und bieten eine bunte Mischung partizipativ gestalteter Angebote auf mehreren Ebenen.
Die Angebotspalette umfasst ein Kultur- und Veranstaltungsprogramm für Gäste aller Altersgruppen mit Konzerten, Partys, Comedy, Kabarett, Theater, Kinderveranstaltungen, Lesungen und außerschulischen Bildungsveranstaltungen. Hinzu kommen Angebote von Vereinen und Ehrenamtlichen wie der „Jugendtreff Haus 7“ oder das plenumsverwaltete „Bunte Haus e.V.“. Weitere Nutzer*innen und Mieter*innen des Kulturzentrums sind beispielsweise das preisgekrönte, kommunale Kino achteinhalb, der Deutsche Alpenverein, der ESV Fortuna Celle oder Lloyds Musicalschule Celle.
Ebenfalls auf dem Gelände beheimatet ist das Albert-Schweizer-Familienwerk. Hier werden Jugendliche zum Beispiel durch die Jugendgerichtshilfe zugewiesen und absolvieren Anti-Aggressionstrainings. Es gibt einen Kinder- und Jugendzirkus, künstlerische Ateliers und Werkstätten für Jugendliche. Darüber hinaus koordiniert die CD-Kaserne trägerübergreifend demokratiefördernde Projekte wie Jugendkonferenzen, Projekte zur demokratischen Partizipation, zur Diversität und gegen Menschenfeindlichkeit und ist Heimat für Beratungsangebote wie zum Beispiel der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur.
Zentraler Knotenpunkt dieses vielschichtigen soziokulturellen Organismus ist die gemeinnützige CD-Kaserne gGmbH. Ihr Geschäftsführer Kai Thomsen ist bereits seit rund 20 Jahren für die CD-Kaserne tätig. Mit seiner langjährigen Erfahrung und Expertise beriet und berät der systemische Coach im Rahmen des Niedersächsischen Programms SozioKChange auch viele andere soziokulturelle Zentren im Land.
Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hat sich der Alltag in der CD-Kaserne stark verändert. Die Corona-Pandemie hat das Zentrum in einen Zustand der Lähmung versetzt. Die vielen Aktivitäten der Nutzer*innen sind durch die pandemiebedingten Restriktionen nur stark eingeschränkt möglich oder mussten ganz eingestellt werden. Ihre soziokulturellen Aufgaben kann die CD-Kaserne seit geraumer Zeit nicht mehr im gewohnten Umfang wahrnehmen, mit direkten und indirekten negativen Auswirkungen für die Region.
Bis zum März 2020 wurde die Arbeit der CD-Kaserne maßgeblich durch selbst erwirtschaftete Einnahmen im Bereich Gastronomie, Veranstaltungen und Vermietungen querfinanziert. Seither musste das Team Umsatzeinbußen von bis zu 70% verkraften. Ohne die kommunale Förderung durch die Stadt Celle, über die Grundkosten wie Strom, Heizung, Wasser und Infrastruktur gesichert waren, hätte der CD-Kaserne womöglich die Zahlungsunfähigkeit gedroht.
Die finanziellen Verluste hatten unmittelbare Auswirkungen auf die Personalstrukturen: Bereits zu Beginn des ersten Lockdowns musste ein Großteil der 25 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit gehen. Während sich im Gastronomiebereich ganze Teams aus Honorarkräften auflösten, brach mit der Zeit auch die wichtige Stütze der ehrenamtlichen Helfer*innen weg.
Derweil sorgt der Lockdown für Isolation auf allen Seiten. „Zurzeit haben wir kaum Kontakt zu unseren Besucher*innen. Den Menschen geht es nicht gut. Sie haben sich auf ihre sozialen Inseln zurückgezogen.“, berichtet Kai Thomsen. In dieser Isolation sieht er nicht nur einen Widerspruch zur soziokulturellen Idee, sondern auch eine gesellschaftliche Gefahr.
Doch dieser Entwicklung begegnet das Team der CD-Kaserne mit Ideenreichtum, Kreativität und Agilität. Bereits seit Februar läuft das Live-Stream-Format „Check Out Celle“, in dem Kinder ab 8 Jahren zum gemeinsamen Entdecken der Stadt eingeladen werden. Auf digitale Formate allein möchte sich das Team in der Planung jedoch nicht beschränken. Mit Hilfe einer Förderung im Rahmen des Programm NEUSTART KULTUR „Zentren“ beim Bundesverband Soziokultur e.V. beginnen derzeit die Arbeiten an der großen Vision für die Wiedereröffnung mit Publikum. Dabei nutzen die Akteur*innen der Einrichtung den großen Vorteil, den die Architektur des Geländes bietet: Der große Innenhof, der wie ein Marktplatz im Zentrum liegt, macht es möglich, das kulturelle Leben nach draußen zu verlagern.
Foto © Natascha Hänle / CD-Kaserne gGmbH
Im Außenbereich soll ein offener, soziokultureller, attraktiver und kostenfrei zugänglicher Erlebnisraum für alle Nutzer*innen und Besucher*innen entstehen. Das Kernstück der Idee ist eine mobile, überdachte Open-Air-Bühne, die von allen Nutzer*innen der CD-Kaserne bespielt werden kann. So soll zur Wiedereröffnung eine Vielzahl von Veranstaltungsformaten möglich sein, von Open Air Kino (Kino 81/2) über lokale Rockabende (Celler Rockmusikinitiative) und Tanzaufführungen bis hin zu politischen Diskussionen (Buntes Haus) und Workshops: Die Open-Air-Bühne soll die CD-Kaserne wieder zum soziokulturellen Leben erwecken. Erste Erfahrungen mit Open-Air-Veranstaltungen wurden bereits im Sommer 2020 mit einem temporären Bühnenaufbau gemacht. Die neue Bühne soll das Open-Air-Konzept nun auf ein neues Niveau heben und dauerhaft in der CD-Kaserne verankern. Derzeit laufen die Arbeiten auf Hochtouren.
Daneben hat die CD-Kaserne aber auch die Innenräume bereits gut auf eine mögliche Wiedereröffnung vorbereitet: Über das Soforthilfeprogramm NEUSTART wurden bereits im letzten Jahr zahlreiche Umbauten und Maßnahmen finanziert, die eine Nutzung der Innenräume auch unter Pandemiebedingungen möglich machen sollen. Schutzvorrichungen, Einlassschleusen zur Besuchersteuerung, Desinfektionsstationen und vieles mehr sollen Nutzer*innen und Besucher*innen eine sichere Nutzung der Räume ermöglichen, wenn die Pandemiesituation dies in Zukunft wieder erlaubt.
Doch der anhaltende Lockdown schafft unvorhergesehene Probleme bei der Planung des Programms: Immer wieder müssen bereits geplante Veranstaltungen abgesagt und neu terminiert werden. Viele Veranstaltungen können nicht verschoben werden, da insbesondere Termine mit externen Künstler*innen nur mit viel Vorlauf organisiert werden können.
Zum Glück konnte mit Hilfe von Fördermitteln aus dem Bereich NEUSTART KULTUR „Programm“ bereits eine Mitarbeiterin aus der Kurzarbeit geholt werden, die sich seither um Programmplanung und Öffentlichkeitsarbeit kümmert. Stefanie Fritzsche konzipiert, organisiert und kommuniziert die Pläne zur Wiedereröffnung der CD-Kaserne. Die unter Lockdown-Bedingungen besonders notwendige Flexibilität für diesen Job kommt nicht von ungefähr: „Alle Mitarbeiter*innen der CD-Kaserne haben eine systemische Zusatzausbildung und Erfahrung in agilem Arbeiten. Das hat uns sehr geholfen.“, sagt Geschäftsführer Kai Thomsen.
Foto © Anna Schiller / CD Kaserne gGmbH
Doch auch wenn externe Künstler*innen abspringen – die CD-Kaserne kann bei der Programmplanung auf einen einzigartigen Pool von Kulturakteur*innen aus dem eigenen Haus zurückgreifen. Die Nutzer*innen des Kulturzentrums haben in der langen Zeit des Wartens zahlreiche Angebotsformate entwickelt, mit denen sie jederzeit starten könnten.
Nun heißt es zunächst weiter warten, bis die Pandemiesituation einen Neustart zulässt. Unter dem Motto „Soziokultur hält uns zusammen! Für die Region Celle in Coronazeiten" soll die Wiedereröffnung dann die Menschen der Region einladen und wieder zusammenführen – und so das soziokulturelle Leben in die ehemalige Reiterkaserne zurückkehren lassen.
CD-Kaserne gGmbH
Hannoversche Straße 30b
29221 Celle
Website: www.cd-kaserne.de
Facebook: www.facebook.com/CDKaserne